Robert Streibel

Wer ist ein reinrassiger Rapidler?

Hat die Integration eine Chance? Wenn Christoph Sauer auch im Westen beklatscht wird, dann habe ich wieder Hoffnung

Robert Streibel
Ich sehe mich Grün in der 3. Generation. Bevor ich etwas über Rapid sage, möchte ich meinen Ahnenpass offenlegen. Mein Großvater war Rapid-Anhänger und mein Vater hält zu Rapid und so ist mir irgendwie Grün immer näher gewesen als Violett. Ich bin also ein reinrassiger Rapidler, wiewohl ich trotz dieser langen Tradition nicht weiß, warum ich mich freuen soll, wenn Austria in der 70 Minute noch immer einem Tor in Bosnien nachläuft. Ich trage immer wieder violette Hemden ˆ natürlich nicht dann wenn ich ins Hanappi Stadion gehe. Aber nie käme ich auf Idee, für einen anderen österreichischen Fußballklub irgendwelche Gefühle zu entwickeln, also wenn andere besser spielen, dann kann ich dem etwas abgewinnen, soweit bin ich, aber in diesen Augenblicken keimt der Gedanke, dass Rapid doch ≥wiederkommen„ wird. Es gibt Einstellungen mit denen wird man groß, man übernimmt sie und wird sich wohl nie davon emanzipieren.

Wie ist es jedoch, wenn diese selbstverständliche Liebe mit der Realität konfrontiert wird, nicht in der U-Bahn, wo sich die anderen Farben merklich ausdünnen, spätestens nach der Längenfeldgasse, wenn in Hütteldorf gespielt wird. Das ist ein anderes Wien, das hier unterwegs ist, ein Wien, mit dem ich sonst nur selten in Tuchfüllung komme. Fast könnte man meinen, wenn es ein Proletariat gibt, dann an den Spieltagen. Die Idealisierung des Proletariats ist längst Geschichte, die Macht darf zuweilen jedoch erlebt werden.

Rapidler zu sein, das ist ein Privileg, ist einer der vielen Sprüche, die ich auf Leibchen sehe am Donnerstag, als die Grün-Weißen gegen die litauische Mannschaft Suduva spielen. Nicht Privileg, aber Bürde mit der zu leben es nicht ganz einfach ist, so würde ich es an diesem Tag abwandeln.

Als Fan hat jeder die Chance für Rapid zu sein, dafür braucht es keinen Ausweisund keinen Abstammungsnachweis. Man muss ja nicht gleich ein richtiger Fan sein, der alle Spiele besucht ins Ausland mitreist. Auch ohne dieses Privileg kann das Stadium besucht werden. Anders ist es hingegen bei den Aktiven: Wann wird ein Spieler zum Rapidler? Diese Frage beschäftigt die Westkurve, denn als Christoph Sauer nach der Verletzung von Kavlak eingewechselt wurde, brach im Westen ein Pfeiffkonzert los. Christoph Sauer hat für Austria gespielt und ist demnach kein Rapidler auch wenn er jetzt das Grün Weiße Trikot trägt. Die Reaktion war nicht verordnet, es ist aus den Menschen einfach losgebrochen und die Einpeitscher auf dem kleinen Podest, haben sogar versucht zu beruhigen. ≥Wir haben unsere Meinung kundgetan, aber wir wollen nicht bei jeder Ballberührung pfeifen.„ Wie lange wird es dauern, bis Sauer zum Rapidler wird. Rapid ist wie das Universum: Gewaltig. Ist ein anderer Slogan. Die Wissenschaft hat uns längst bewiesen, dass es nicht nur ein Universum gibt, wenngleich der Ball um das Hanappi Stadion kreist und irgendwo dort auch Gott wohnt. Nicht immer, denn manchmal versteckt und schämt er sich. Das Pfeiffkonzert, macht mich bis heute zittern. Unsere Welt ist kompliziert geworden. Gut und Böse sind nicht mehr so leicht auseinander zu halten. Aber wenn ein Christoph Sauer auf den grünen Rasen mit einem Rapid-Dress läuft, dann braucht es im Westen keine Erklärungen, das gesunde Volksempfinden regiert. Einfach so, direkt aus dem Bauch, wo ja auch das Herz sitzt.

Die Integration ist eine schwierige Sache, sie wird wohl auf dem grünen Rasen entschieden werden. Wenn ein Christoph Sauer auch im West beklatscht wird, dann hat die Integration eine Chance. Bis dahin wird wohl noch oft die Sonne im Westen untergehen und es zappenduster werden. Aber eine Diskussionrunde mit den Ultras, ab wann ein Christoph Sauer zum Rapidler wird unter welchen Bedingungen, ob er oder erst sein Sohn es schaffen könnte, das wäre doch etwas Besonderes.


Categorised as: Artikel