Robert Streibel

Steine für den Tempel der Erinnerung

Der jüdische Friedhof in Krems ein besonderer Ort des Gedenkens und der Kunst.

Robert Streibel für eine Publikation des Dokumentationsarchives des Österreichischen Widerstandes (DÖW) über Erinnern und Gedenken in Niederösterreich
März 2005

Der Ort ist alles andere als idyllisch und dies passt vielleicht auch, denn Juden in der Provinz das war nie eine Frage der Idylle. Der jüdische Friedhof in Krems liegt in der Auffahrt zur Schnellstraße S33 nach St. Pölten, schräg gegenüber ein Haus mit roten Herzen, auf der anderen Straßenseite das Autohaus Hänfling und über den Grabsteinen lachen McDonalds, ein Einkaufzentrum und ein Möbelhaus. Die Ausläufer der Geschäftigkeit haben den Friedhof in die Zange genommen. Der jüdische Friedhof in Krems ist der letzte Ort, an dem die Geschichte der jüdischen Gemeinde noch erlebt und gezeigt werden kann, nachdem die Synagoge Ende der siebziger Jahre über Nacht abgerissen wurde.

Die drei jüdischen Friedhöfe
Der Jüdische Friedhof in der Wiener Straße ist der dritte jüdische Friedhof in der Geschichte der Stadt. Nur drei Friedhöfe für 700 Jahre könnte man meinen, doch wenn in Rechnung gestellt wird, dass im Judentum ein Friedhof für ewige Zeiten angelegt wird und eine Auflösung nicht vorgesehen ist, drängt sich die Frage auf, was mit den beiden Friedhöfen geschehen ist.

Judenfreithoff
Der Ort des ersten Friedhofes ist nur mehr ungefähr bekannt, ein Riedname Judenfreithoff ist seit 1460 belegt, und 18 Jahre später noch mit der Ortsangabe zwischen Krems und Stein ≥unten am Kerlberg„ verbürgt. Als im Jahr 1878 in der heutigen Gaswerkgasse 30 ein Goldmünzenfund und Knochenreste von rund 20 Skeletten getätigt wurden, lag die Vermutung nahe, dass damit ein Beleg für den ersten jüdischen Friedhof, der nach dem Pogrom 1421 zerstört worden war, vorlag. Die 30 gefundenen Goldmünzen machen deutlich, warum die Juden als Händler mit ihren internationalen Netzwerk für die Nationalstaaten immer als ≥Gefahr„ angesehen wurden. Aus heutiger Sicht symbolisieren die Goldmünzen so etwas wie einen Vorgriff auf ein geeintes Europa. Neben zwei Goldgulden Florenz, den Goldmünzen Robert von Ungarn, Johannes von Böhmen, Albrecht II, wurden auch auch noch Münzen mit dem Porträt von Wenzel von Schlesien-Liegnitz und Lübeck gefunden.

Auf dem Turnerberg
Der zweite jüdische Friedhof wurde 1853 auf der Kremsleiten angelegt, weit abseits der Stadt auf einem Berg (Turnerberg) sind die Kirchen der Stadt nur über dem tiefen Einschnitt des Kremstales zu sehen. Da dieser Friedhof so abgelegen war und es in den dreißiger Jahren regelmäßig zu Schändungen kam, wobei auch Tierblut über die Gräber gegossen wurde, entschloss sich die Kultusgemeinde den Friedhof aufzulassen. Jugendliche wie der noch heute in Israel lebende Abraham Nemschitz erinnern sich, dass sie mit einem Rabbiner aus Wien an den offenen Gräbern gesessen sind und jeweils 236 Knochen in Schachteln gezählt hatten. Die Überreste wurden dann auf den dritten Friedhof überführt und beigesetzt. Bis vor wenigen Jahren waren die Begrenzungsmauern des 2. Friedhofes noch zu sehen und bis in die 60er Jahren kamen beim Bearbeiten des Friedhofes immer wieder Knochenreste zum Vorschein.

Friedhof in der Wiener Straße
Der dritte Judenfriedhof wurde 1880/81 an der Wiener Straße 133 angelegt und besteht bis heute. Bislang musste man glauben, dass der Friedhof auch während der Nazi-Zeit nicht geschändet wurde. In den 40er Jahren wurde zwar auf dem Friedhof zwei Baracken errrichtet in denen französische Kriegsgefangene untergebracht waren, doch dass dafür auch Gräber beseitigt worden wären war nicht bekannt.

Ist jeder Friedhof Geschichte? Auf Friedhöfen liegen abgeschlossene Geschichten. Im Judentum legt die Besucherin, der Besucher beim Besuch eines Grabes einen Stein auf das Grab. Dies kann auch so gedeutet werden, dass am Bau des Toten weitergebaut wird. Die Geschichte ist nicht vollendet. Der jüdische Friedhof in Krems ist Geschichte. Auf diesem Friedhof werden sie keine oder nur ganz wenige Steine finden. Hier wird an keinen Geschichten mehr gebaut.

Geschändet in der Nazi-Zeit
Dieser Friedhof ist Geschichte und ist Teil einer Geschichte. Hier ist Vergangenheit begraben. Nicht nur die Toten, die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Krems und Umgebung waren und die wir kennen, auch unbekannte Tote liegen hier. Bei der Errichtung der Installation von Clegg/Guttmann sind in nur 20 Zentimeter Tiefe Überreste von Menschen gefunden worden, wo bisher keine Gräber waren. Bei einer Sichtung durch Vertreter der Kultusgemeinde wurde an sechs verschiedenen Stellen auf dre freien Fläche des Friedhofes ein Schädel, Knochenteile eines Hüftbeins, Rippenteile, Unterarmknochen, Oberarmknochen, Stücke von einer Schädelkalotte und Schädeldachfragamente sichergestellt. Da ein Kunstwerk an diesem Platz einer Störung der Totenruhe gleichkäme, wurde ein neuer Platz für die drei Bibliotheksschreine auf dem jüdischen Friedhof gesucht und gefunden.

Um zu klären, wer auf der freien Fläche des jüdischen Friedhofes beerdigt oder angesichts der Umstände verscharrt wurde, soll ein wissenschaftliches Projekt gestartet werden. Das Gutachten des Instituts für Gerichtliche Medizin von Univ. Prof. Dr. Georg Bauer besagen lediglich, dass die Knochen viele Jahrzehnte im Erdgrab gelegen sind. Die in vier Plastiksäcken geborgenen Skelettteile von mehr als einem menschlichen Individuum stammen. Einzelne Skelettteile könnten von einem Kind stammen, "aber auch nicht menschlicher Provenienz sein".

Zum ersten Mal seit 50 Jahren
Die Frage, ob Gräber geschleift worden waren blieb unklar, bis sich nach einem Bericht in der Lokalzeitung die Zeitzeugin Anna Lechner meldete, die mit den Kindern des Friedhofswärters in den 30er Jahren viel Zeit auf dem Friedhof verbracht hat. Zum ersten Mal seit 50 Jahren besuchte Frau Lechner bei einem Lokalaugenschein wieder den Friedhof und markierte die Stelle, ab der die Nazis Gräber vernichtet hatten, um Platz für die Errichtung von Baracken für französische Kriegsgefangene zu errichten. Mindestens zwei Reihen von Gräbern wurden in einer Länge von 50 Metern dem Erdboden gleichgemacht. In all den Jahrzehnten nach der Befreiung ist diese brutale und erfolgreiche Vernichtung der Geschichte nicht entdeckt worden, weil niemand da war und ist, diese Gräber zu vermissen.
Doch nicht nur das, sie konnte auch noch genau den Platz benennen, wo die Toten rituell gewaschen wurden. Das Gebäude befand sich, rechts neben dem Eingang unmittelbar nach der Gedenktafel, die an die Errichtung des Friedhofs erinnert.

Kunstwerke sind wie Steine
Wenngleich sich auf diesem Friedhof keine Steine auf den Gräbern finden und so der Eindruck entstehen könnte, als würde am Werk der Toten nicht mehr weitergebaut, als würde sich niemand mehr an die hier begrabenen erinnert, wird auf dem jüdischen Friedhof in Krems auf andere Weise gebaut, befinden sich doch hier finden zwei Kunstwerken, zwei Installationen, zwei ungewöhnliche Versuch, sich der Vergangenheit zu stellen.
Wer diesen Friedhof besucht, der hat hier keine Verwandten, keine Bekannten. Die, für die das noch zutrifft, die sind an einer, an zwei Händen abzählbar. Sie leben in Wien, in Deutschland, in Israel und in New York und manche wie der Psychoanalytiker Bela Neubauer besuchen den Friedhof und das Grab seiner Mutter via Internet.
Die Verlassenheit dieses Friedhofs ist ein Ergebnis der Geschichte, die den Toten die Lebenden geraubt hat. Doch es war kein anonymes Walten, Mörder waren am Werk, kleine und große und sie hatten Helfer und Wegschauer.

Nach der Renovierung des Friedhofes im Jahr 1985 entstand die Idee, ein Denkmal für die vernichtete jüdische Gemeinde zu errichten. In einem Wettbewerb des Landes Niederösterreich hat sich Hans Kupelwieser mit seinem Metallband durchgesetzt. Das Kunstwerk ist 48 Meter lang und eingeschnitten sind die Namen und Daten der Mitglieder der ehemaligen jüdischen Gemeinde.

Im ORF-Mittagsjournal vom 8. November 1995 hieß es über die Eröffnung hieß es: Kunstdenkmäler, die zum Gedenken auffordern, sind immer problematisch, vor allem wenn sie Unfaßbares, Unsagbares wie den Holocaust geistig vermitteln sollen. Über die ästhetische Form solcher Denkmäler wird aller Orten diskutiert. In Berlin etwa, wo die verschiedensten Entwürfe heftig von unterschiedlichen Seiten angegriffen werden, ebenso in Wien, wo eine Lösung für ein Denkmal am Morzinplatz immer noch nicht endgültig feststeht, und Alfred Hrdlickas Skulpturen bei der Albertina noch heute oder gerade nach des Bildhauers letzten Äußerungen vielen fragwürdig erscheinen. Der Bildhauer Hans Kupelwieser hat für Krems eine schlichte Form gefunden. Ein 48 Meter langes Stahlband, das im Eingangsbereich des Friedhofs über dem Boden schwebt und in dem die Namen und Daten der 129 ermordeten Kremser Juden eingeschrieben sind. Für Hans Kupelwieser waren folgende Überlegungen von Bedeutung: ≥Ein Punkt war einmal, das jüdische Bilderverbot zu berücksichtigen, was eben der Hrdlicka nicht gemacht hat. Es gibt diese Tradition der Schrift, der Schriftüberlieferung. Das zweite war, eine möglichste neutrale Gestaltung zu machen, nicht? Ob das jetzt Kunstwerk ist oder nicht, das ist mir irgendwie gleich. Es ging darum, keinen Bilderkitsch oder irgendwas in der Richtung zu machen, sondern möglichst neutral das zu machen, aber eben so, daß es doch nicht unsichtbar ist, wie es ja einige Denkmäler gibt, die nur mehr im Kopf stattfinden. Die Idee war, eine Schwelle zu errichten oder ein Hindernis. Wenn man in den Friedhof reinkommt, soll man wo anstoßen – als Hindernis oder als Schwelle -, und so ist man gezwungen, den Text zu lesen. Und da entstehen dann sowieso die Bilder im Kopf.‰ Die Schwelle besteht nur aus Schrift. Also es sind Schriftgitter, sodaß auch wenn Gras wächst, das Gras durchwachsen kann durch die Schrift. Das war noch so eine zweite Idee, daß man das Gras auch immer wieder mähen muß, weil sonst wächst es einfach drüber, und man sieht gar nichts mehr.‰ Viele private und juristische Personen haben an diesem ein Millionen Schilling teuren Denkmal mit Tat und Geldspenden mitgewirkt, auch ein Zeichen dafür, daß in Krems und Umgebung, wo in den letzten Jahren immer wieder Keimzellen rechtsradikalen Terrors aufgespürt wurden, ein Umdenken stattgefunden hat. Ein Drittel kam von der Stadt Krems, ein Drittel vom Land Niederösterreich und ein Drittel waren Spenden.

Zu einer denkwürdigen Veranstaltung wurde die Einweihung des Denkmals von Hans Kupelwieser am 9. November auf dem jüdischen Friedhof in Krems. Mehr als 100 Personen waren gekommen um mit Bürgermeister Ing. Erich Grabner, der Präsidentin des Bundesrates Anna Elisabeth Haselbach und Amtsdirektor Dr. Avshalom Hodik von der Israelitischen Kultusgemeinde der 129 Juden aus Krems zu gedenken, die ermordet oder vertrieben wurden. Als Vertreter der Überlebenden war Abraham Nemschitz aus Herzlia, Israel mit seiner Gattin Terry der Einladung des Personenkomitees gefolgt und nach Krems gekommen. Gekommen war außerdem der Botschaftsrat der Israelischen Botschaft in Wien Geiora Shimron, Botschaftsrat der Republik Ungarn, Dr. Miklós Farkas und der Kanzler der Deutschen Botschaft Michael Kapp. Zehn Jahre hat es gedauert, um die Voraussetzungen für die Errichtung dieses Denkmals zu schaffen. Ein Stahlband in der Länge von 48 Metern schwebt im Eingangsbereich des Friedhofes über dem Boden und fordert Respekt. Diese Schwelle markiert eine Grenze zwischen Erinnern und Vergessen. Angesichts der Daten und des Schicksals der 129 Juden kann die Besucherin, der Besucher des Friedhofes nicht zur Tagesordnung übergehen, die Tatsache der Vertreibung und Ermordung der Juden muß zur Kenntnis genommen werden.

Eine Bibliothek auf dem Friedhof
Wer das Stahlband on Hans Kupelwieser überquert hat, der kann zwischen den Gräbern gehen und der wird auf die erste öffentliche Bibliothek der international renommierten Künstler Clegg/Guttmann stoßen.
Im November 2000 wurde der Aussenfassade der Piaristenkirche in Krems/Stein eingemauerte jüdische Grabstein des am 11.12. 1380 verstorbenen Rabbiners Rabbi Nehemia bar Jakob restauriert der mit den Worten beginnt: ≥Zu meiner Klage erwacht, die ihr und Klage kenntΣ‰ Da die Einmauerung des jüdischen Grabsteines im Jahr 1421 auch als symbolischer Sieg der katholischen Kirche über das Judentum interpretiert werden kann, soll der Grabstein zu seiner letzten Ruhestätte auf den jüdischen Friedhof Krems übersiedelt werden. Die Gestaltung der zurückbleibenden Leerstelle in der Piaristenkirche war Aufgabe eines von der kunst im öffentlichen raum niederösterreich ausgeschriebenen Wettbewerbes. Diesen gewann das Künstlerpaar Clegg & Guttmann mit der Weiterführung ihres 1991 in Österreich begonnenen Projektes ≥Open Public Library„.

Da keine Einigung über den Aufstellungsort gefunden werden konnte, errichteten Clegg & Guttmann die Bibliothek nicht in der Piaristenkriche sondern am Jüdischen Friedhof in Krems. Die Künstler schufen ein Bücherregal in der Größe und Form eines Grabsteins mit Glastüren. Es enthält eine sorgsam ausgewählte Sammlung von Büchern, die der jüdischen Philosophie und der Geschichte des Todes gewidmet ist. Die Auswahl setzt sich aus deutschen, englischen und hebräischen Texten zusammen. So ist die Arbeit weniger ein Denkmal für einen fehlenden Grabstein in einer Wand, als für die große und einstmals gedeihende jüdische Gemeinde in Krems. Die BesucherInnen sind dazu eingeladen, diese Kombination aus Kunstwerk, Bibliothek und Kulturfundus zu erforschen und die Bibliothek mit eigenen Büchern zu diesen Themen zu erweitern.

Das hartnäckige Freilegen von Geschichtsrelikten ist ein immer wiederkehrender Aspekt im Werk von Clegg & Guttmann. Indem die Künstler vernachlässigte oder vergessene Sammlungen von Büchern in den Vordergrund rücken, deuten sie auch auf alternative Informationswege hin. Clegg & Guttmann bieten hier Lesarten als Übergang zwischen Kulturgeschichten, bestimmten Orten und der Abstraktheit des Todes an. Weitere Bibliotheksinstallationen der beiden befinden sich derzeit im Stift Melk sowie im Freud Museum in Wien. Die Künstler schufen für den Friedhof in Krems ein Bücherregal in der Größe und Form eines Grabsteins mit Glastüren. Es enthält eine sorgsam ausgewählte Sammlung von Büchern, die der jüdischen Philosophie und der Geschichte des Todes gewidmet ist. Die Auswahl setzt sich aus deutschen, englischen und hebräischen Texten zusammen. So ist die Arbeit weniger ein Denkmal für einen fehlenden Grabstein in einer Wand, als für die große und einstmals gedeihende jüdische Gemeinde in Krems. Die BesucherInnen sind dazu eingeladen, diese Kombination aus Kunstwerk, Bibliothek und Kulturfundus zu erforschen und die Bibliothek mit eigenen Büchern zu diesen Themen zu erweitern.

Warum erdrückt uns die Geschichte nicht?
Der jüdische Friedhof hier ist der letzte Platz, wo die Geschichte der Juden von Krems noch erlebt werden kann, eine lange Geschichte so alt die Stadt Krems selbst und wenn die Stadt im nächsten Jahr 700 Jahre feiert so ist dies eine einmalige Chance sich dieser Geschichte, die hier zwischen diese Mauern verbannt wurde, bewusst zu werden.

Zu hoffen bleibt, dass diese Chance ergriffen wird. Doch Hoffen ist etwas Passives und die Zweifel sind berechtigt ob dies genügt. Um die ganze Geschichte erfahren zu können, wissen zu können war in den letzten Jahrzehnten nicht wenig Aktivität notwendig und daran wird sich wohl auch in Zukunft nichts ändern. Für die Toten gibt es keine Lebenden mehr, doch wir können ihnen und uns die Geschichte geben und eine Neugestaltung des Friedhofswärterhauses würde die Basis dafür legen. Die Pläne dafür haben die Architekten Walter Kirpicsenko und Alexander Klose bereits vorgelegt. ≥Das Konzept für den Eingangspavillon zum Jüdischen Friedhof Krems sieht von einer Sanierung des bestehenden Wärterhäuschen aus folgenden Gründen ab: Die jetzige Situation der Zugänglichkeit des Friedhofareals ist für die zukünftige Nutzung nicht zufriedenstellend. Die Präsentation der Dokumentation ≥…plötzlich waren sie alle weg…„ von Dr. Robert Streibel erfordert keinen klimatisch geschlossenen Raum. Die Sanierung des weder architektonisch noch historisch bedeutenden Wärterhäuschens ist nicht sinnvoll.
Der konzipierte Baukörper verbindet sowohl eine Gestaltung der Eingangssituation des Friedhofareals mit der zukünftigen Präsentation der Dokumentation in Form eines gemeinsamen Flugdaches. Auch der aus der Piaristenkirche entnommene Grabstein wird unter diesem Flugdach aufgestellt. Das Flugdach besteht aus einer Stahlbetonplatte mit zwei raumbildenden Umklappungen, dass auf zwei Glasschwerter aufgelagert ist. Der optische Eindruck ist der eines schwebenden Daches ohne statische Verbindung zum Untergrund. Die statisch wirksamen Glaskörper werden für die Präsentation des Dokumentationsmaterials verwendet und durch weitere statisch nicht wirksame Glasflächen erweitert. Der Besuch des Areals als auch der Dokumentation wird in den Tagesstunden erfolgen, daher beschränkt sich die künstliche Beleuchtung auf eine Ausleuchtung der Deckenuntersicht. Am Ende der Allee wird die vom Eingang aus sichtbare Friedhofswand angeleuchtet, um auch in den Abendstunden eine Tiefe sichtbar zu machen.„

Soweit die sachlich knappe Beschreibung des Projektes durch die beiden Architekten. Die Symbolik ist eindringlich. Eine tonnenschwere Stahlbetonlatte scheint gleichsam über dem Eingang zu schweben, gehalten nur durch Glasziegel, die gleichzeitig als Träger für die Geschichte fungieren, mit der integrierten Geschichte der Juden von Krems. Angesichts dessen was geschehen ist, müssen wir uns wundern, warum uns die Geschichte nicht erdrückt. Die Historie, die Dokumentation hilft mit, dass wir durch diese Bedrohung gehen können, um zurück und vorwärts zu sehen.

Anna Lambert Denkmal im Steinertor
Einer der letzten Toten, die jedoch noch nicht auf dem Stahlband von Kupelwieser zu finden ist, ist Anna Lambert. Dieser Name führt zu einem anderen Denkmalprojekt in Krems, das bereits 50 Jahre nach Befreiung vom Faschismus eingeweiht werden konnte. Initiiert durch den Verfasser finanzierte die Steuerberatungskanzlei Nidetzky & Partner und die Betreibergesellschaft (BOE) des Geschäftszentrums beim Steinertor das Gedenkprojekt, das der Kremser Künstler Leo Zogmayer entwickelt hat. Eine ungewöhnliche Form des Gedenkens in unmittelbarer Nähe des Wahrzeichens der Stadt zu gestalten. Ausgangspunkt war das Haus in der Schwedengasse 2, wo die Jüdin Anna Lambert, der 1939 mit zwei Kleinkindern die Flucht nach England geglückt ist, gelebt hat. Eine Gedenktafel wird daran erinnern. Korrespondierend dazu werden in das Steinertor in zwei Metallkuben eine Erklärung gegen Antisemitismus und Rassismus eingemauert, die von rund 500 Personen unterzeichnet wurde. Die Bezüge sind klar, der Hass sitzt tief, im Fundament unserer Gesellschaft, symbolische Akte müssen daher auch dort ansetzen.

Friedhof auch im Internet
Genügt es Denkmäler zu errichten, um die Zeit des Nationalsozialismus nicht ins Vergessen entschwinden zu lassen, um den gesellschaftlichen Prozess der Gleichmachung, der Historisierung zu stoppen? Für die Jugendlichen ist Auschwitz so viel Geschichte wie die Schlacht bei Austerlitz, hat ein österreichische Politiker gemeint. Die Schlacht von Austerlitz wird jedoch nur schwerlich Familiengeschichte und ˆgespräche bestimmen, wird selten für Schweigelücken in Sonntagsreden sorgen.
Denkmäler alleine sind zu wenig. Das Denkmal der Zukunft heißt Information. Denkmäler können vor Ort oder ortsunabhängig errichtet werden. Während erstes nur Vorbeigehende anspricht, sind virutelle Denkmäler im Zeiten des Internet von jedem Platz der Erde abrufbar. Denkmal Information ist daher ein Denkmal für die Zukunft. An diese Denkmäler müssen andere Anforderungen gelegt werden wie an herkömmliche. Denn die mediale Aufbereitung von Information, die Präsentation ist ebenso wichtig wie die Serösität und die notwendige Recherche.

Der jüdische Friedhof in Krems ist nicht nur durch die beiden Kunstwerke von Kupelwieser und Clegg/Guttmann ein besonderer Ort, denn der Friedhof ist überdies auch im Internet dokumentiert und virtuell besuchbar. Möglich durch ein Projekt des Nationalfonds für Opfer des Nationalsozialismus konnte die homepage www.judeninkrems.at aufgebaut werden.

Auch für die homepage ist der Friedhof der Ausgangspunkt für die Geschichte der Juden in Krems, neben einem Rundgang, einem virtuellen Besuch des Grabes seiner Mutter durch Bela Neubauer, der jetzt in New York lebt, findet sich eine Datenbank mit den Angaben über die Kremser Juden sowie der komplette Text von zwei im Handel bereits vergriffenen Bücher ≥Plötzlich waren sie alle weg. Die Juden der Gauhauptstadt Krems und ihre Mitbürger„ und die Erinnerungen von Anna Lambert ≥Du kannst vor nichts davonlaufen„.


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