Robert Streibel

Glossen sind wie ein Lehrstuhl oder ein belegtes Brot

In Maßen genossen ist der Sammelband ≥Geschichten aus dem Süden„ von Egyd Gstättners Glossen anregend, witzig und geistreich

Robert Streibel

Wer es zu einer regelmäßigen Glosse gebracht hat, der hat einen Lehrstuhl inne, dessen Venia nicht viel weniger als das Leben ist. Denn das Thema von Glossen ist der Alltag gebrochen durch eine Persönlichkeit. Egyd Gstättner ist ein ≥Professor„ dieser Zunft und schreibt regelmäßige Kolumnen für ≥Die Presse„, die ≥Kleine Zeitung„ und die ≥Süddeutsche Zeitung„. Nichts ist uninteressanter wie die Zeitung von gestern, doch dies betrifft die Nachrichten, nicht jedoch die Kommentare vor allem dann, wenn sie mit Witz und Klugheit geadelt sind.

Im Sammelband ≥Geschichten aus dem Süden„ sind die letzten Satiren, Glossen und Geschichten gesammelt. Geordnet und zusammengefasst unter den Oberbegriffen Welt- und Landesgeschichten, sowie Kalender- Kunst und Sportgeschichten. Dieser Band zeigt, dass diese Gattung nicht nur für den Tag geschrieben ist, sondern auch Bestand haben kann, macht aber auch klar, dass die einzelnen Produkte nur in Fünf- oder höchstens Zehnerpack hintereinander genossen werden dürfen. So ist das mit Pralinen, Gummibärchen und Glossen. Zuviel geschmunzelt ist nicht zum Lachen. Und dazu kommt noch, dass mancher Witz nicht dadurch gewinnt, wenn ihn viele erzählen: Zum Beispiel homepage eines gewissen KHG. Doch dies ist einfach für die Nachwelt, die sich dann die Augen reiben wird, was alles in Österreich möglich war.

Glossenschreiberinnen und Glossenschreiber, letztere sind wohl eher in der Mehrheit und nicht nur deswegen weil es um die Frauenförderung nicht gut bestellt ist, müssen sie sich als den Nabel der Welt sehen und das ist vielleicht auch der Grund, warum Glossen schreiben eine männliche Erscheinungsform ist. Stichwort Eitelkeit. Neben einem Gespür für den Zeitgeist, der Gabe vom Kleinen auf das Große zu schließen und eben eine gehörige Portion Eitelkeit sind die Eingangsvoraussetzungen für diese moderne Form der Moralpredigten. Fehlt natürlich noch die Gabe dies alles auf den Punkt zu bringen und auch schreiben zu können.

Skisportler sind so bedeutend, dass sie gleich an drei Tagen hintereinander geboren wurden und dementsprechend auch die Feier so lange dauert. Die Frage nach der Faszination des Skispringens ist mehr als berechtigt. (≥Keine Schanze wirbt mit Tageskarten (…) Noch nie habe ich einen Bundeskanzler oder Landeshauptmann für einen guten Zweck Schispringen gesehen.„) Beerdigungen können eine peinliche Sache sein, wenn ein Intellektueller begraben wird, die Redner, aber gerade einen Partezettel lesen können. Manche Literaten werden gehasst, um dann in Gedenkstätten hochgehalten zu werden. (≥Und alle Oberösterreicher, die keine Autoren sind, sind Bernhardforscher„).

Und weil Gstättner ein Kärntner ist, stellt sich nicht nur die Frage, wo der Süden anfängt. (≥Ein Balkan ohne Tabak und Fett und Knoblauch, das ist kein Balkan mehr. Schaut einmal die Preise an, das Dreifache von früher. Und alles im Namen der Qualität und Exklusivität. EU heißt ja, dass man gleich daheim bleiben kann.„). Gstättner geht der Humor angesichts der vielen grantigen Unzukömmlich- und Engstirnigkeiten nicht aus. Die Moral und das Wissen in Glossen muss wie auch bei Predigten gut platziert und manchmal auch versteckt werden, um die Leser zu ködern, damit sie anbeißen und vielleicht etwas übernehmen, einen Gedanken zumindest.

Das Kokettieren des Glossenschreibers Gstättner mit dem eigenen Nabel und der eigenen Wichtigkeit, die leider noch nicht von der ganzen Welt erkannt wird und so nicht jedes seiner Bücher zu einem Bestseller werden lässt, sind jedoch wie Majonäse bei belegten Broten: nur ein Tupfer zu viel davon ist wirklich zu viel und das fällt bei einem Sammelband stärker auf als im glossierten Tagesgeschäft.

Geschichten aus dem Süden Satiren, Glossen und Geschichten von Egyd Gstättner Amalthea Verlag: Wien 2005 238 Seiten, geb., Euro 19,90


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