Robert Streibel

Der Wohlfahrtsstaat ist ein Mist

Ein verstörendes Kunstprojekt in der BAWAG Foundation des dänisch norwegischen Künstlerduos Elmgreen & Dragset provoziert Nachdenken.

als Sigi Neubauer für „Arbeit & Wirtschaft“ Oktober 2005

Den Wohlfahrtsstaat gibt es nicht mehr. Nur mehr als Leuchtreklame, in den Modefarben Pink leuchtet ≥The welfare show„ nicht über einem Theater, sondern in der Glasfront der BAWAG Foundation. Soziales Denken ist nur mehr Theaterdonner, eine Show. Der Denkzwang: Das können wir uns nicht mehr leisten oder sparen, einsparen, bestimmen längst unseren politischen Alltag. Im Alltag der Konsumenten ist davon nichts zu bemerken vor den Toren der BAWAG Galerie in der Wiener Innenstadt, gefüllte Einkaufssäcke und Nobelrestaurants in denen die Tische enger gestellt sind als in einer Legebatterie für Hühner. Wer in der Auslage sitzen darf und gesehen werden will, muss auch zahlen. Die beiden Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset haben für die Galerie eine Wohlfahrtsschau organisiert, eine mehr als verstörende Installation. Der Ausstellungsraum ist mit 25 Lastwagenladungen voll mit Müll gefüllt. Das Ausrangierte wird arrangiert und dazwischen ein Mensch der durch die engen Gassen schlurft, einen alten Föhn hochhebt, einen Toaster, über ein Trimm-dich-fit-Rad steigt. Um einen Blick in die Reste des Konsumrausches zu ermöglichen hat die Leiterin ihr Büro räumen müssen. Der Blick in die Tiefe ist somit auch in diesem Sinne außergewöhnlich. ≥Mit The Welfare Show werfen Elmgreen & Dragset einen persönlichen und verqueren Blick auf Themen, die im Zentrum der Diskussion um Globalisierung und aktuelle politische Debatten stehen: dem verbreiteten modischen Reformismus und neo- liberalen Diskursen, wie wir sie heute in einem Großteil westlicher Demokratien vorfinden„, heißt es im Ausstellungskatalog. Zwei Fernrohre wie sie auf Aussichtsplattformen zu stehen pflegen laden einen Blick zu riskieren: auf den Misthaufen und im Erdgeschoss in das gegenüberliegende Nobelrestaurant. Ausgestellt: Die Armut und der Reichtum. Auf den ersten Blick ist diese Installation für manche ärgerlich. ≥Da wird Geld ausgegeben, damit Mist ausgestellt wird.„ Die Installationen von Elmgreen & Dragset beziehen den gesamten Prozess von der Aufstellung bis zum Abtransport in ihr Konzept ein. Und die Eröffnung bot eine messerscharfe Analyse von Thomas Rothschild (Universität Stuttgart) ≥Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schien der historische Sieg des Kapitalismus besiegelt. Die wirtschaftsliberalen Kräfte hatten von nun an freie Hand. Mit dem sowjetischen Modell wurde gleich auch das sozialdemokratische skandinavische Modell zu Grabe getragen. In den Köpfen wurde mit Nachdruck die Überzeugung befestigt, dass jede staatliche Einmischung von Übel und ein ungehemmter Markt ein Segen sei. Den Rest erledigt die Globalisierung, die unter verschiedenen Etiketten, etwa unter jenem der ≥Europäischen Gemeinschaft„, einer so wirkungsvollen Kosmetik unterzogen wird, dass selbst Sozialdemokraten und wirklich Linke von einem ≥Wahldebakel„ sprechen, wenn Franzosen oder Niederländer ihren Zweifel an der Schönheit der Miss Europa anmelden. (…) Eigentlich müsste es selbst die verbohrtesten Parteigänger irre werden lassen, zumindest aber stutzig machen, wenn der konservative Wolfgang Schüssel dem Labourkollegen Tony Blair eine überzogene Marktorientierung ankreiden kann, wenn Angela Merkel der rot-grünen Regierung vorwerfen kann, dass sie es deutschen Unternehmen ermöglicht hat, eine Firma ins Ausland zu verkaufen, ohne einen Cent Steuern zu bezahlen, oder dass sich die Tendenzen in den Armutsberichten sozialdemokratisch und konservativ regierter Staaten fast bis aufs Haar gleichen.„ Emlgreen & Dragset Installation wandert, war vorher in der Kunsthalle in Bergen zu sehen und wird noch im Powerplant Toronto zu sehen sein, der Mist bleibt. Das soziale Engagement wird zur Kunst. In einer Galerie in Deutschland haben die beiden zwei arbeitslose Maler und Anstreicher gemietet die während der Ausstellung die Galerie ausgemalt haben: 37 Mal während mehrerer Wochen und in Zürich wurde der Umbau einer Galerie als Ausstellung umfunktioniert und die Arbeiter spielten dabei die Hauptrolle. Der Ausstellungskatalog entspricht dem Konzept. Ein Bene-Ordner mit Artikeln zur sozialen Situation zum selbst Ergänzen. Von Art and Army über Bureaucracy bis zu Health, Pension und Vollbeschäftigung.

BAWAG Foundation, Tuchlauben 7a, 1010 Wien Ausstellungsdauer 16. September – 26. November 2005 Mo- Sa 10-18 Uhr, Eintritt frei; Führungen: Donnerstag um 17 Uhr, Samstag um 15 Uhr


Categorised as: Artikel