Robert Streibel

Recht ist ein Luxus

Krems gibt den ≥arisierten„ Kremser Schmidt zurück: So teuer ist die Restitution geraubter Kunst für die Eigentümer

Opfer des Holocaust haben in Österreich zwei Chancen. Entweder sie erreichen ein biblisches Alter. Abraham wurde 175 Jahre und so lange dürfte es dauern, bis die Entschädigungszahlungen abgewickelt sein werden. Wer nicht Abraham ist und wessen Familie über Kunstwerke vor 1938 verfügt hat, der muss starke Nerven, einen langen Atem, gute Verbündete haben und tief in die Tasche greifen, wenn er sein Eigentum zurück haben will.

Bei der Restitution von Kunst werden unausgesprochen klassenkämpferische Instinkte wach. Political Correctness verschließt den Mund, doch das Denken rattert im Hintergrund und ein Klischee fügt sich ins andere. Die Zahnräder des Vorurteils mahlen manchmal auch öffentlich. Die Reichen bekommen ihre Bilder zurück und kaum Recht gesprochen, kommt die Kunst unter den Hammer bzw. wird verkauft. Vergessen wird dabei eines. Anspruch auf geraubte Kunstwerke zu erheben ist eine langwierige Sache. Um sein Recht zu beweisen und zu vertreten, braucht es Rechtsanwälte, Gutachter und dann ist öffentlicher Druck nötig, sonst wechseln Jahreszeiten mit Vertröstungen.

Am 10. Oktober 2007 gibt die Stadt Krems zwei Bilder von Martin Johann Schmidt, an die rechtmäßigen Erben nach dem Textilindustriellen Richard Neumann, die Familie Thomas Selldorff zurück. Richard Neumann hatte eine veritable Kunstsammlung sein eigen nennen können, die auch 1937 im Kunsthistorischen Museum gezeigt wurde. Das Herzstück der Sammlung die beiden Heemskerk Altarflügel befinden sich bis heute im Museum und wurde nicht zurückgegeben.

Die Restitution des Kremser Schmidt ist ein Sieg der Vernunft, aber auch ein Beispiel, wie teuer ≥Recht bekommen„ sein kann. Am Beginn stand das Eingeständnis der Stadt Krems aus dem Jahr 2001, dass die beiden Kunstwerke geraubte Kunst seien und ein Aufruf an die Erben. Als sich diese dann meldeten dauerte es. Sechs Jahres hat sich die Entscheidungsfindung hingezogen, in dem neben der Rechtsanwalt Dr. Alfred J Noll und die Provenienzforscherin Sophie Lillie mit medialer Unterstützung an der Seite der Familie Selldorff gekämpft haben. Ohne den öffentlichen Druck wäre dieses Verfahren möglicherweise noch länger versandet. Dass die beiden Bilder nun aufwendig restauriert werden müssen, da ein Transport im momentanen Zustand einer Zerstörung gleichkäme, ist eine andere Sache, dass Gutachten und rechtliche Vertretung beglichen werden müsse, kann nicht unerwähnt bleiben. Die Anreise zur feierlichen Übergabe ist natürlich Privatsache, von den Transportkosten der Bilder ganz zu schweigen und um eine Ausfuhrgenehmigung muss noch angesucht werden. Mit Ausfuhrgenehmigungen hat die Republik in den 50er Jahren schon ein Mal ordentlich getrickst. Im Fall der Familie Selldorff kann von Gerechtigkeit noch lange nicht gesprochen werden, denn das Kapitel um die beiden Heemskerk Altarflügel ist noch nicht abgeschlossens. Nachdem der Oberste Gerichtshof am 15. März 1952 die Ansprüche von Richard Neumann als rechtmäßig bezeichnet hatte, wurde eine Ausfuhrgenehmigung verweigert und die Familie mit anderen Bildern und Skulpturen abgespeist. Ein böswilliger Schelm, wer hier an Erpressung denkt. Das oder gar nichts. So war das anno 1950ff.

Was auf den ersten Blick als späte Genugtuung erscheint, ist somit fast eine Fortsetzung der Demütigung. Recht wird zum Luxus und Recht kann nur bekommen, wer die Mittel dazu hat.

Dr. Robert Streibel, Historiker, Publizist, Direktor der Volkshochschule Hietzing. Publikationen über die Juden in Krems. www.judeninkrems.at


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