Robert Streibel

Ein Marterl für die Shoa oder Arbeiten gegen den Tag

Gedenkkultur 2008

Robert Streibel

Jedes Unglück geht zu Ende und dann steht Trauer und Erinnerung. Viel Unglück in den letzten Jahrhunderten, viel Stein gewordene Erinnerungen. An vielen Ecken, im Wald, an Kreuzungen. Unglück sind Räuber, Pest, Blitz, Türken, Franzosen, der Zufall, Hochwasser. Marterl eben. Marterl kennen wir doch. Am Beginn stand der Tod. Martyros, Blutzeuge. Oder war die Hl. Martha die Namespatin: die Schwester des Lazarus war. Lazarus wurde durch Jesus von den Toten auferweckt. Die Heilige Martha, welche am 29. Juli gefeiert wird, soll den Heiland auch auf dem Todesweg begleitet haben. Einerlei. Zum Dank an überstandene Leiden errichtet. Für manche Darstellungen gibt es eigene Namen.

Ein lang erprobtes Programm. Eingeübte Sehweisen, ein pädagogisches Programm. Die Lehre für die Zukunft, für jeden. Wenn es nicht so viel verbaute Fläche gebe, vielleicht hätten wir auch heute noch Marterl, oder haben wir sie, gewandelt und denken nicht mehr an die Vorbilder? Der Titel meines Vortrages heißt nicht Jesus Maria ein Holocaust. Aber Marterl für den Holocaust ist auch nicht schlecht. Im langläufigen Sprachgebrauch ist der Holocaust ein Unglück ohne Akteure, ohne handelnde Personen. Auch dieses Unglück ging zu Ende und zurück blieben Trauer und die Notwendigkeit der Erinnerung. Wir sind weit davon entfernt an allen Wegecken, wo man sich zu begegnen pflegt wie es im Libri Carolini des Alkuin festgehalten ist, dass Papst Leo III. im Jahre 779 nach Christus die Errichtung von Steinkreuzen angewiesen hat an allen Wegecken, wo man sich zu begegnen pflegt. So viele Holocaust Denkmäler gibt es auch wieder nicht, doch die Gefahr ist dennoch zu benennen.

Ein Unglück braucht keine Diskussion, über ein Hochwasser oder die Pest zu diskutieren ist müßig, vielleicht über Dämme und Hygiene. Aber da der Holocaust kein Unglück war wäre der die inhaltliche Aufladung der Denkmäler mit barocken Vanitas-Gedanken zu wenig. Oder ist der Wunsch nach ewigem Innehalten auch nicht viel besser? Das Verhältnis zur Geschichte im Alltgemeinen muss auf den Prüfstand hier und jetzt.

Geschichte ist die Pathologie der Zeit. So schreibt Thomas Pynchon in seinem neuen Roman ≥Gegen den Tag„. Ein Roman über die Zeit jetzt zu zitieren, heißt mit dem Zeitgeist flirten. ≥Gegen den Tag„ ist eines der Bücher, die gekauft und selten gelesen werden 1600 Seiten. Pynchon? Manche meinen ein modernder James Joyce, auf alle Fälle ist seine Nichtexistenz in der Öffentlichkeit ein Faszinosum. Es gibt kein Bild von ihm, er vermarkt sich nicht ˆ nur mit seinem Buch, keine Lesung, keine Klatschspalte, nichts, seine Stimme war einmal in einer Folge der Simpsons zu hören. Eine Geschichte für sich.

Das nur um diesen Satz einordnen zu können, kein Seminar über Literatur heute, wobei der literarische Schamanismus, den Pynchon pflegt, Schamanen können ja an mehreren Orten gleichzeitig sein, hintergründig sehr viel mit Geschichtsbewusstsein zu tun hat. Er erzählt über die Weltausstellung in Chicago um 1890 und schildert die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, redet über Vergangenheit so als wäre es Utopie und wenn dann die Grenze zur Gegenwart auch aufgehoben ist, dann wird es gespenstisch, wenn im Alten die Gegenwart und die Zukunft sichtbar wird. Zum Beispiel in der Ausbeutung der Arbeiter und dem frühen Widerstand, dem Anarchismus der amerikanischen Arbeiterbewegung. In den Bombenanschlägen und Attentaten und den polizeilichen Reaktionen darauf hören wir Bush vom Terrorismus flüstern, nicht direkt, aber wie in einem Traum. Und um noch ein zweites Beispiel für diesen literarischen Schamanismus zu geben sei auf den Balkan verwiesen. Der Erste Weltkrieg hat dort seinen Anfang genommen, nicht dass wir vor einem Dritten stehen würden, aber die Konflikte sind eine Konstante und um nichts weniger blutig damals wie heute und in der Zukunft. ≥Gegen den Tag„. Ein ambitioniertes Geschichts-Projekt, das in und mit einem Buch verwirklicht werden kann.

≥Gegen den Tag„. Erst jetzt im Schreiben wird mir klar, dass ich mit schlafwandlerischer Sicherheit unbewusst lesend gesegelt bin unter dem Leitspruch der ErinnerungsarbeiterInnen. Was anderes ist es, was diese und ich seit Jahren tun. Gegen den Tag zu arbeiten. Ein Stück Vergangenheit zu retten, ein Zeitfenster aufzutun. Die Bemühungen, die Vergangenheit in der Gegenwart zu retten, die wir mit Gedenkaktionen versuchen, mit Denkmälern, mit Tafeln nehmen sich dagegen wie ein Bemühen eines Kindergartens aus, unbeholfen, fast als würden wir die Sprache erst lernen. Fenster auf in die Vergangenheit geblickt, Tränen, Rührung vielleicht, so jung gestorben, so brutal die Zeit, ungerecht auch, Meister des Terrors und der Verblendung. Unverständlich, auch Kinder unter den Opfern, viel noch nicht gelebtes Leben. Fenster zu. Der Blick meist zielgerichtet nach hinten gerichtet. Fenster auf: Nicht vergessen. Die Botschaft für die Zukunft: Zum Schlagwort, fast eine Drohung: Niemals vergessen. Und was dann? Hilflos. Wehret den Anfängen. Welchen? Wann ist Anfang? Vom Schlagwort zum Denken das ist ein weiter Weg, nicht oft begangen, denn eines ist klar: Denken ist nicht nur durch ein Fenster schauen, beschränkt durch den Fensterstock, oben unten, seitlich.

Unsere Denkmäler sind also Fenster durch die wir auf die Vergangenheit blicken, ob wir den Bogen in die Zukunft schlagen? Lange ist uns das vermittelt worden, dass es ganz einfach sei. Rezept: Toleranz, Demokratie Extremismus. Pflege die ersten beiden und meide das Dritte und alles wird gut. Und wenn Extremismus eine Gefahr, dann ist es der Rechtsextremismus. Denkmäler sind dagegen nur ein unzureichendes Mittel wenngleich diese Illusion auch gepflegt wird. Im Jahr 1994 in Berlin meinte Bausenator Wolfgang Nagel ≥Für jede rechtsradikale Untat brauchen wir ein weiteres Mahnmal.„ Ein Zitat aus der Rede anlässlich der Grundsteinlegung des Denkmals ≥Bibliothek ˆ Die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933„ auf dem Berliner Bebelplatz. Er holt weit aus und lässt den Hammer auf den Grundstein sausen, schreibt die Zeitschrift ≥Focus„ damals: ≥Wider das Vergessen! Für die Scham! Für den Mut zu lernen!„

Ich bin schneller beim Thema als ich ursprünglich wollte, ich habe sofort die Fenster geöffnet und den Blick auf die Vergangenheit geöffnet, bevor wir sie noch definiert und bestimmt haben. Ja die Schatten, das ist so eine Sache mit Platon und unseren Höhlen, sitzen drinnen und sehen nur Schatten, gibt es überhaupt etwas anderes? Ich bin schneller bei den Denkmälern, die wir setzen und muss jetzt doch nochmals an den Anfang zurück: Geschichte ist die Pathologie der Zeit.

Diesen Satz muss man auf der Zunge zergehen und im Kopf setzen lassen. Historiker sind Patholgen tun sich also leicht. Was auf dem Tisch des Pathologen liegt, redet nicht zurück. Doch halt da endet schon das Einverständnis. Nicht alles was weise klingt muss es auch sein. Widerspruch all über all, wenn es um Geschichte geht. Widerrede, Dagegenreden = also Widerspruch. Was auf dem Tisch des Pathologen liegt, dafür gibt es in der Analyse ein eindeutiges Ergebnis: Woran der Mann, die Frau gestorben ist, ein bisschen Lebenswandel lässt sich rekonstruieren, die Sportarten und die entsprechenden Verletzungen, das Gesundheitsbewusstsein, die Qualität der Zahnärzte und so manches mehr lassen sich ablesen. Manches Vermutung, aber alles mehr oder weniger eindeutig. Da unser Leben ja ein Krimi ist, wer mit dem Medium Fernsehen lebt

Bei der Geschichte ist das bei weitem nicht eindeutig. Die Geschichte, eine objektive Geschichte gibt es nicht, selbst ein Datengerüst birgt Interpretation. Also nicht tot und kein Verlass, weil nicht eindeutig. Verschiedene Perspektive. Sogar wenn es vorbei ist, dann ist es noch nicht klar.

Unterschiedliche Interpretationen und Standpunkte. Dies zu wissen und sich immer vor Augen zu führen, erleichtert das Leben, und so müssen wir nicht dem Zwang anheimfallen zu glätten und zu kaschieren, um etwas zu erreichen, das nicht zu erreichen ist: Objektivität.

Das passiert selten, das diese Unmöglichkeit von Objektivität ausgesprochen wird, denn ein Land braucht eine Geschichte und da sind wir bei der Geschichtspolitik. Und für das 20. Jahrhundert vor allem, nach der Befreiung. Da haben wir es bereits. Ich habe sofort Position bezogen, denn – ausgerüstet mit einem Gespür für Zwischentönen – hören manche, wenn über 1945 gesprochen wird, bloß ≥Kriegsende„, denn die Befreiung war doch dann 1955, als der Staatsvertrag geschlossen wurde und der letzte fremde Soldat abgezogen ist.

Gerade Österreich brauchte eine Geschichte nach dieser Geschichte, zumindest die Illusion davon. Vor diesem Hintergrund kommt der Streit aus heiterem Himmel, wo doch alles klar ist mit der Geschichte. Wirklich alles klar? Ich beginne eine kurze Aufzählung und bin mitten im Zwang der Interpretation von Ereignissen: 1933 (Selbst?)Ausschaltung des Parlaments, Bürgerkrieg 1934, Dollfuß ein Märtyrer oder Mörder, und/oder beides? Österreich erstes Opfer des Nationalsozialismus, Österreich befreit oder besetzt, der Geist der Lagerstraße, Schlussstrich schon im Juli 1945, Arrangement mit den Ehemaligen, NS-Prozesse, frühe Begnadigungen, Antisemitismus, Wiesenthal-Kreisky, Waldheim, Wehrmacht, Geraubte Bilder, Entschädigung.

Widersprüche, werden selten offen präsentiert. Widersprüche passieren und werden als Streit erlebt. Widersprüche stören die Ruhe. Mit Widersprüchen leben, heißt das, ohne Wahrheit und Frieden leben? Es gibt keine Wahrheit, sondern nur Wahrheiten? Es gibt keine Geschichte, sondern nur Geschichten. Enden wir so in der Beliebigkeit? Ohne Werte und Anker treiben wir von einem Ufer zum anderen, abhängig davon wovon der Wind gerade bläst und wer mit dem Zeitgeist gerade am besten zu segeln versteht.

Eine Ausstellung über ein historisches Ereignis wird selten von zwei, drei Seiten präsentiert, in der Literatur wissen wir um die Probleme mit dem auktorialen Erzählen. Ein Erzähler wie ein Gott, der alles weiß und die Geschicke und den Blick lenkt. So zu schreiben ist nicht ≥state of the art„ und doch ist es Realität. Aber in der Geschichtswissenschaft in der Vermittlung derselben, bei Ausstellungen? Ich kann mich ad hoc nicht erinnern, dass Widersprüche in den Mittelpunkt einer Ausstellung gestellt worden wären. Zur Zeit ist in der Deutschvilla in Strobl am Wolfgangsee die Ausstellung über ≥widerständiges Salzkammergut„ zu sehen und da wird dies in Ansätzen versucht, zumindest was das Jahr 1934 betrifft. Der Bürgerkrieg wird nicht von zwei Seiten geschildert, aber klar gemacht wie unterschiedlich das Jahr 1934 bis heute interpretiert wird. Und das ist doch viel. Illusionieren wir ein wenig. Eine Ausstellung, wo ein Ereignis von zwei Seiten betrachtet werden würde. Die Wahrheit entsteht dann nur im Kopf. Nicht vorgekaut und präsentiert, sondern mit dem Vertrauen, dass sie sich durchsetzt. Dem Gegner oder Widerpart kann doch kein Raum eingeräumt werden, höre ich im Hinterkopf. Das geht doch zu weit. Nochmals deutlicher. Ich habe mir immer ein Haus der Geschichte für Österreich vorgestellt, wo am Eingang jede Besucherin, jeder Besucher eine Rolle zugelost bekommt und eine Brille, keine rosarote, sondern eine, die einen Tunnelblick provoziert und dann geht sie oder er durch die Ausstellung und sieht alles nur aus der Sicht eines Arbeiters, eines Bauern, eines Hahnenschwanzler, eines Schutzbündlers, eines Nazis. Und nur gelegentlich werden die BesucherInnen gezwungen auch den Rest der Wahrheit, der Geschichte zu sehen. Eine Gedankenspielerei, die vielleicht nicht realisierbar ist, aber vorstellen möchte ich mir das. Aber wir sind weit davon entfernt. Und plötzlich bin ich bei Rosa Luxemburg und ich muss wirklich recherchieren, wie ihr Satz gelautet hat. ≥Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden.„ Und plötzlich tut sich ein anderes wunderbares Fenster auf: Frischluft statt Zeitgeist für eine andere Debatte auch, für jene, die von Leitkultur schwärmen.

≥Gegen jeden Opportunismus gewandt, forderte Rosa Luxemburg, dass Freiheit, damit sie wirkliche Freiheit ist und nicht der verdeckte Zwang zur Anpassung, die Freiheit der anderen als Andersseiende ermöglichen müsse. Das Verhalten als freier Mensch, so versteht und praktiziert sie es, besteht genau darin, anderen die Möglichkeit zu geben, als Andere frei zu sein. Bevor Freiheit ein Recht ist, ist sie eine Pflicht. Die Gleichheit in der Freiheit ist eine Gleichheit der Verschiedenen.„

Michael Brie: Freiheit ist immer die Freiheit der Anderen. Gerechtigkeit oder Barbarei. Rosa Luxemburgs Entdeckung eines radikal sozialen Freiheitsbegriffs, Freitag Nr. 39 22.9.2000.

Rosa Luxemburg als Diktum für AusstellungsgestalterInnen. Soweit so gut. Geschichte wird nicht nur in Ausstellungen präsentiert. Maßgeblich und vordringlich für uns heute ist ausnahmsweise nicht der Sonntag. Ausstellungen sind etwas für Sonntage, aber was ist mit dem Alltag? Die Arbeit gegen den Tag soll im Mittelpunkt stehen. Ein Alltag, wo Geschichte, wo das Fenster immer geöffnet werden kann, ohne Eintrittskarte. Einmal um die Ecke gebogen und plötzlich konfrontiert, wenn man/frau dies zulässt.

Beim Wiederlesen dieses Konzeptes fällt mir natürlich eines auf, das Diktum mit den Wahrheiten kann für viele Teile der Geschichte gelten, doch nicht für einen Teil der Geschichte, der heute auch auf der Tagesordnung, dem ein besonderes Augenmerk zuteil wird: Der Geschichte des Holocaust. Eines bleibt klar: Ein singuläres Ereignis, das nicht zu relativieren ist. In diesem Fall gibt es wohl nur die Wahrheit des Terrors. Wobei sich natürlich auch in diesem Fall eine Trendwende abzuzeichnen beginnt, damit meine ich nicht die Revisionisten, sondern das Buch von John Littell, der in seinem Roman ≥Die Wohlgesinnten„ die NS-Verbrechen aus der Sicht eines Täters schildert.

Lassen wir den Blick kurz schweifen und überlegen wir, welche Fenster uns einfallen. Dass ich auf das Bild des Fensters verfallen bin ist wohl naheliegend, denn über Jahre und Jahrzehnte waren es Gedenktafeln, die angebracht wurden und werden. Da ist nicht viel Unterschied zum Ende des auktorialen Erzählens. Hier hat gewohnt, gelebt, hier hat Beethoven zwei Takte geschrieben. Diese Brücke wurde unter Bürgermeister X gebaut. Dieser Gemeindebau entstandΣ Fenster? Blinde Fenster? Zu viele Fenster. Fenster, durch die nicht geblickt wird. Fenster für den Urlaub vielleicht, wenn Zeit dafür bleibt. Im Urlaub versuchen wir durch diese Fenster zu blicken, auch wenn wir nichts sehen. Ohne Wissen sehen wir meist auch nichts. Das war lange bevor die Kunst begann, nein stimmt natürlich nicht, aber Kunst blieb lange im Ghetto, am Ort der Geschehen, im Ghetto des Grauens, also in den Gedenkstätten Auschwitz, Mauthausen, Chelmno oder Yad Vashem und an einigen speziellen Plätzen, der Morzinplatz in Wien, wo sich das Gestapo-Hauptquartier befand. Das war die Zeit von Bronze und Stein, von Heroismus und den traurigen Blicken durch den Stacheldraht.

Wo haben wir noch Geschichte im öffentlichen Raum? Kriegerdenkmäler meist jene der beiden letzen Kriege. Günstig. Zu den Toten des 1. Krieges wurde dann meist eine Tafel für die Toten des 2. Krieges. Helden der Heimat und so. Die Selbstverständlichkeit mit der hier Namen präsentiert werden, diese Selbstverständlichkeit ist, wenn es um Opfer des Holocaust geht, lange Jahre zu vermissen. Bei den Opfer des Widerstandes wurden tendenziell öfter die Namen genannt, vielleicht deswegen, weil eine politische Gruppe, Organisation dahinter stand, die die Opfer nicht in der Anonymität verschwinden lassen wollten. Doch die Opfer des Holocaust, die hatten keine Lobby, lange Zeit nicht.

So selbstverständlich die Kriegerdenkmäler, so außergewöhnlich die Erinnerung an die Opfer des Holocaust, immer noch, natürlich gibt es Ausnahmen, natürlich gibt es ein Zuviel, in Berlin droht ein Gedenkpark zu entstehen. Wir sind noch davon entfernt, denn wir hinken nach bei vielem. Die Zivilisationskrankheiten kommen mit Verspätung, aber auch die Initiativen lassen auf sich warten. Wenn wir wollen, können wir verfolgen wie es bei uns sein wird, in drei bis fünf Jahren.

Wenn wir über Denkmäler und Aktionen sprechen, die nicht dem Typ des Fensters entsprechen, das heißt die mehr sind als bloße Tafeln muss auch über den Wert von Denkmälern philosophiert werden.

Der Weg ist das Ziel. Das wird oft als Ausrede verwendet, wenn es kein Ergebnis gibt, um mit einem nicht so guten Ergebnis leben zu können. Aber der Weg, der war wichtig. Im Fall von Erinnerungsarbeit würde ich diesen Satz als ein Motto wählen. Nicht der (Gedenk)stein ist das Ziel, sondern der Prozess, wenn alles geschafft ist, dann ist es schön, wir können es betrachten und dann auch wieder als selbstverständlich vergessen. Die Widerstände müssen überwunden werden, SkeptikerInnen überzeugt, BündnispartnerInnen gefunden werden. Wenn ein Denkmal nicht ausfinanziert ist, dann ist das eine Herausforderung. Das ist natürlich ein Zwiespalt auch. Ist das nun eine Form, die mangelnde Unterstützung als positiven Effekt der Partizipation zu verkaufen? Ein zynisches Spiel von mir? Vielleicht kann ich gar nicht denken wie es ist, wenn alles kein Problem ist.

Zum Schluss muss jedoch ein Satz des deutschen Künstlers Jochen Gerz, der mit seiner versunkenen Säule im Stadtteil Harburg in Hamburg im Jahr 1986 einen Standard gesetzt hat. Die Bevölkerung wurde eingeladen sich auf dieser Säule gegen den Faschismus zu verewigen. Sobald die Fläche beschrieben war, wurde die Säule um diesen Teil versenkt. ≥Denn die Orte der Erinnerung sind Menschen, nicht Denkmäler„


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