Robert Streibel

Gestolpert, geträumt und geblieben

Grabrede für Karl Mörwald, 20. 10 2004

Robert Streibel

Es gibt Auszeichnungen, die werden nicht verliehen, nicht bei uns, nein auch anderswo nicht, denn es gibt wohl keine andere Welt als die, deren Gesetzen wir entsprechen müssen. Die Illusion von diesem anderswo hat lange gelebt, ein Menschenalter lang, war blutig und brutal, war trotzdem notwendig geträumt zu werden, hat Schranken gesetzt den Menschen aber auch der Ausbeutung und weil diese jetzt uneingeschränkt, aber schöner neoliberal verpackt unser tägliches Reisegepäck ist, wird die Illusion wieder geträumt werden. Überspringen wir die Gegenwart, von damals in die Zukunft. Gestolpert sind bei diesem Zweisprung viele, hingefallen, haben es wieder versucht, wollten und konnten nicht sehen und mussten wieder stolpern. Nicht viel Fortschreiten mit diesem Schritt.

Es gibt Auszeichnungen, die werden nicht verliehen. Damit meine ich nicht goldene Wappenplaketen, Ehrentitel, und ˆnadeln, Wimpel und Medaillen in Samtschachteln, einiges hast du bekommen, von anderswo, aber auch hier. Kein Wunder, du warst Vizebürgermeister, der längst gediente Gemeinderat in Krems, Landtagsabgeordneter, 40 Jahre Obmann der Kremser KPÖ, Mitglied der österreichisch-sowjetischen Gesellschaft, du warst…

Die Auszeichnungen, die ich meine sind oft nur ein Wort, ein Begriff und wie bei einer Medaille gib es zwei Seiten, für die einen Ehre, für die andren zwischen den Zähnen ausgespuckte Beschimpfung.

Von diesen Auszeichnungen waren dir einige gewiss.

Du warst ein Desserteur, du hast das Ende deiner Pflicht für die Deutsche Wehrmacht zu dienen selbst bestimmt, hast dich versteckt 1944, wurdest versteckt und warst da als alles vorbei war im Mai 1945 und hast am Wiederaufbau der Stadt mitgearbeitet.

Du warst ein Kommunist. In der Geschichte der Kommunistischen Parteien gab es den Begriff der Volksfront, wo spät, zu spät alle Gutgesinnten gesammelt wurden, um vereint gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen. Du wurdest Kommunist weil dich die Sozialdemokratie enttäuscht hat, weil es durch sieben Jahre hindurch zwischen 1938 und 1945 unter denen, die Widerstand geleistet haben, viele, sehr viele Kommunistinnen und Kommunisten waren. In der Gauhauptstadt Krems waren es Zeller, Strasser, Hoffmann um nur drei zum Tode Verurteilte zu nennen. Du bist Kommunist geblieben, hast vieles mitgetragen. Du hast diesen Zusammenschluss aller Gutgesinnten auf Deine Weise immer gelebt. Natürlich warst du auch blind, aber du konntest auch lachen und das ist viel.

Du warst ein Politiker und hattest immer Dienst. Du hast mitgeholfen, dass eine Kaserne zur Schule und dass in einer Kaserne auch Wohnungen eingerichtet wurden, in der Kaserne in Krems. Du bist Pate gestanden beim Treffen von internationalen Volkstanz- und Musikensembles bei der Kremser Messe. Du hast Anträge für die Errichtung einer Fußgängerzone gestellt, als Du dafür belächelt wurdest. Auf deinen Vorteil warst du nicht bedacht und deswegen wurdest du auch geschätzt.

Für mich aber warst Du ein Türsteher, doch nicht einer der abweist, sondern der auffordert weiterzugehen. Das Dahinter war kein wunderschöner Palast, sondern bloß das Hotel Krems, die Geschichte mit Denunzianten, mit Lügnern, mit Vergesslichen, mit Mördern, mit Opportunisten, mit Vertriebenen, mit Karrieristen. Viele in dieser Stadt wollten dieses Etablissement gerne für immer verschlossen halten, wollten lieber ungewisse Schemen pflegen, die dann plötzlich wie verblasen verschwunden waren, so als könnte es eine Stadt zwischen 1933 und 1938 und zwischen 1938 und 1945 geben haben ohne Personal, ohne Besetzung und als hätten die Täter und die Opfer, die mit dem schlechten Gewissen und die ohne Gewissen keinen Namen gehabt.

Du hast um die Geschichte gewusst und mir hast Du die Tür zu dieser verschwiegenen Geschichte von Krems geöffnet und hast mir die Bekanntschaft mit Menschen ermöglicht, die gegen den Strom geschwommen sind. Du hast ausgesprochen was war, das war einer deiner Stacheln.

Das zu wissen, die Menschen zu kennen und täglich zu treffen, die ihre Meinungen wie Mäntel gewechselt hatten und wechseln und trotzdem hier zu bleiben in dieser Stadt, zu grüßen und Händezuschütteln, zu sagen was war und trotzdem geschätzt zu werden, das ist eine Auszeichnung, die nicht verliehen wird, die gelebt wird.

Oft ist es eine Kunst, es den Menschen so schwer wie möglich zu machen, um von ihnen nicht gehasst zu werden. Du hast es den Menschen wirklich schwer gemacht, denn deine Freundlichkeit war kein Kalkül und reden ist eine Übung, um verstehen zu können und zuhören eine Gabe, eine Volkes Stimme, das klingt hochtrabend und nicht zeitgemäß, doch in einer Lederhose zum sowjetischen Stadtkommandanten zu gehen gibt dem ganzen einen zeitlosen Witz: volkstümlich. Was Kultur ist bestimmen wir in Österreich immer noch selbst. Aber dem Volk hast du trotzdem nicht nach dem Mund geredet.

Von dir konnte man nicht nur Geschichte lernen, sondern auch Das-Kompromisse- Schließen ohne sich selbst zu verkaufen, ein schmaler Grat, es hätte einfachere Wege gegeben. Die breiteren und bequemeren Wege hast Du nur bevorzugt, wenn Du mit dem Rad gefahren bist auf der Ringstraße Richtung Wachau.

Auf deinen Wegen, auf dem schmalen Grat und auf dem breiten hast du viele Menschen getroffen, gegrüßt und mit ihnen gesprochen, denn Du warst nicht nur Genosse, sondern auch ein Menschenfreund.

„Nicht abseits stehen“


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