Robert Streibel

Mit der Pendeluhr unterwegs

Bei der Kremsführung „Mazel tov“ (18.Mai 2018 im Rahmen des Viertelfestivals NÖ) habe ich eine Pendeuhr mitgeführt. Es ist die Pendeluhr aus dem Geschäft von Peter Bader gegenüber der ehemaligen Synagoge. Die Pendeluhr habe ich geerbt, nach dem Tod meiner Grußmutter nahm ich sie von der Wand und las „Peter Bader, Dinstlstraße 2“. Seit ich mich erinnern kann habe ich die Pendeluhr gehört, fast könnte man sagen, sie hat mir den Schlaf geraubt, sie hing im Schlafzimmer meiner Großeltern, das ich glaube ich so lange sie gelebt haben, nie betreten habe. Die Uhr habe ich gehört, ein dumpfer Klang. Die Uhr trägt nicht nur den Stempel des jüdischen Uhrmachers Peter Bader, sondern auch den Namen des Käufers, der Käuferin. STREIBEL. Auf Raten habe die Großmutter die Uhr gekauft 1937, klärt mich mein Vater auf. Die GEschichte von Peter Bader habe ich recherchiert bevor ich die Uhr bekommen habe.

In einem Gedicht habe ich versucht die Geschichte von Peter Bader zusammenzufassen. Der Lyrikband „Weltgericht auf Besuch“ ist in der Zwischenzeit vergriffen.

Seit der Führung in Krems habe ich die Pendeluhr wieder in Betrieb gesetzt, sie schlägt wieder und unsere Nachbarn hören sie, denn Geschichte dringt auch durch jeden noch so dicken Stahlbeton.

Die Pendeluhr

Der Bader hatte gerne die Hände im Sack
unter dem Anzug spannte die Weste:
Er hatte die Brust eines Schwimmers.
Stromab von Dürnstein Hakoah siegte
und weil die Wimpel tümpeln,
springt er zum Gratulieren vom Steg.

Der Bader hatte auch einen Hund
und sonst keine Allüren.
Wenn er über die Straße in die Synagoge ging,
setzte er ihn auf den Polster.
Spaniel oder Spitz,
die Nase ließ er sich küssen.
Am Arm und an der Leine, so klein
hätte er zu einem Juwelier
in jeder Metropole gepasst.

Der Bader spielt mit seinem Schlüssel im Sack,
als hätte er Schätze im Schrank.
Er lächelte sich die Kleinstadt weg
mit Neidern, Nazis und Rabauken.
Die Ehen hielten mit seinen Trauringen auch,
die Pfarrer durften nichts davon wissen.

Im März schlug dem Bader ein Ausverkauf,
ein Purzelbaum vor seinem Geschäft.
Keine Käufer lachten
und raubten die Uhren Ringe.
Zwei flohen nach England,
einer liegt im Wäscheschrank
und einer vor Stalingrad immer.

Die Pendeluhr aber blieb in Krems
Weggelegt für einen Arbeitslosen
tickten die Raten nicht lang.

Im Oktober stromab von Wien die Flucht geglückt,
weil die Wimpel siegten im Land.
Im Juni ertrank im Hafen von Haifa sein Kind,
kein Schwimmer konnte es retten.

Vor Kummer starb er in Tel Aviv
acht Jahre nach dem Mai.
Die Pendeluhr tickt bis heute nicht rund
und schlägt als müsste sie Tote wecken.
Den Lebenden ein Fürchten.

(Für Josef Streibel)

Rundgang Krems. Mazel tov. Pendeluhr von Peter Bader. Fotos: Matthias Streibel

 


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