Robert Streibel

Nur Zuchthäusler? Hadersdorf erinnert sich an ein Nazi-Massaker, aber wie!

Robert Streibel 5.April 2009

In Hadersdorf am Kamp gab es keine Stalin-Opfer, in Hadersdorf am Kamp wurden am 7. April 1945 61 politische Häftlinge des Zuchthauses Stein erschossen. Nach Jahren des Streites hat Bürgermeister Bernd Toms am 5. April 2009 nun einen Gedenkstein auf dem Friedhof einweihen lassen. Den Gedenkstein sieht er als Stein für alle Opfer des Krieges, als Stein für die Opfer Stalins, als Stein für die nach 1945 denunzierten Nazis, die von den Russen umgebracht wurden, als Stein für alle armen Menschen des Zweiten Weltkrieges. Soweit so skandalös. Die Opfer von Hadersdorf werden jedoch durch diesen Gedenkstein nur zu ≥Zuchthäuslern„ gestempelt, denn im Text heißt es. ≥Am 7. April 1945 ermordete eine SS Einheit 61 Gefangene. Aus der Haftanstalt Stein entlassen waren Sie auf dem Weg nach Wien. Niemals vergessen. Nie wieder.„ Von jenen Häftlingen, die erschossen wurden und die namentlich bekannt sind belegen die Dokumente, dass es sich um politische Häftlinge gehandelt hat. Sie haben mit ihrem Einsatz mitgeholfen, dass Österreich befreit wird, sie haben jenen Beitrag geleistet, der von den Alliierten in der Moskauer Deklaration gefordert wurde. Doch in Hadersdorf sind diese Patrioten nur Gefangene. Dass der Bürgermeister bei der Einweihung des Gedenksteines die Nachkommen von Opfern nicht nur nicht eingeladen hat, sondern sie auch nicht einmal offiziell begrüßt hat, zeigt, dass Gedenken nur eine lästige Verpflichtung ist. Dass Christine Pazderka, die Tochter eines Ermordeten von Hadersdorf sich das Mikrophon erkämpfen musste, um sich Gehör zu verschaffen ist unglaublich, aber wahr. Noch während der offiziellen Einweihung wurde der Text des Denkmals in Hadersdorf korrigiert und vom Verein Gedenkstätte Hadersdorf der Zusatz politische Gefangene eingefügt. In der Beseitigung von Gedenkzeichen hat der Bürgermeister von Hadersdorf in der Vergangenheit einen traurigen österreichischen Standard gesetzt, als er die Namen der Ermordeten, die mit Kreide auf den Boden geschrieben wurden von der Feuerwehr wegwaschen ließ. Wie lange wird der Zusatz ≥politische Häftlinge„ auf dem Gedenkstein zu sehen sein? Bis heute werden die Namen der Opfer des Massakers nicht genannt, sie sollen in der Anonymität von ≥Gefangenen„ bleiben. Vielleicht war das Eingravieren der Namen auch zu teuer für die Gemeinde. Oder sind griechische, serbische und kroatische Namen den BesucherInnen des Friedhofes nicht zumutbar? Wer Nazi-Opfer sagt muss im gleichen Atemzug auch Stalin-Opfer sagen. So muss es sein, auch wenn es vor Ort keine Stalin-Opfer gegeben hat. Hadersdorf erinnert sich, aber wie?

Die Einweihung des Gedenksteines und die Rede des Bürgermeisters auch auf youtube: http://www.youtube.com/watch?v=OKSxF1JqfrY&feature=channel_page

Robert Streibel, Historiker, Publizist, Direktor der Volkshochschule Hietzing


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