Robert Streibel

Offener Brief an Daniel Spoerri

Wien, am 14. Juni 2009

Willkommen zum letzten Abendmahl in Hadersdorf
Wir fahren mit der Eisenbahn, obwohl Hitler dies tat, ich streichle einen Schäferhund, wenn er nicht böse und grantig aussieht, obwohl ich die Geschichte kenne und in Lohengrin von Richard Wagner sitze ich ohne schlechtes Gewissen. Die Geschichte ist kein Problem mehr für mich. Für viele war es nie ein Problem und wenn es nach manchen geht, würden sie auch heute noch vegetarisch essen, weil damit vielleicht auch das Abendland gerettet werden könnte. Und da sind wir auch schon im Zentrum, auf dem Teller.

Herzlich willkommen in Hadersdorf. Ein Ort wird Kunst durch und mit dem Essen. Ich weiß nicht ob man da sagt Guten Appetit. Toi toi toi und über die Schulter gespuckt wird sich vielleicht nicht so gut machen.

In Hadersdorf wurden am 7. April 1945 61 politische Häftlinge erschossen. Ein sogenanntes Endzeitverbrechen. Naja in anderen Orten wie in Ebensee wohnen die Menschen auf den Gebeinen der Toten, weil die Gründe in den 50er Jahren billig waren, könnte eingewendeet werden. Das Leben geht weiter und essen muss der Mensch und Kunst braucht er auch als Vor- und oder Nachspeise. Mit der Eröffnung ihres Museums und Speiselokals ist vielleicht bald die Welt zu Gast in Hadersdorf. Die Toten, die auf dem Hauptplatz Aufstellung nehmen mussten, waren auch international, Griechen, Serben, Tschechen und Österreicher.

Sie brauchen kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie in einem Ort tafeln, wo die Erinnerung an die Toten bis heute nicht möglich ist. In Hadersdorf wurden die politischen Häftlinge im Jahr 2009 zu bloßen Häftlingen und ≥Zuchthäuslern≥ degradiert werden, denn auf der Gedenktafel wurde der Hinweis, dass es sich um politische Häftlinge handelt einfach weggelassen. Prosten sie bitte dem Bürgermeister und allen Honoratioren zu, die es bis heute nicht fertiggebracht haben, über den Tellerrand zu schauen.

Sollten Sie an ein eigenes zeitgeschichtliches Gericht denken, das sie servieren möchten. Das letzte Abendmahl würde sich vielleicht anbieten. 61 Plätze garantiert, Wasser und Brot vielleicht und die Zigarre am Ende für die Raucherinnen und Raucher könnte ja dann an der Friedhofsmauer gereicht werden, denn beim Essen geht es doch immer um das Fundamentalste, ums Überleben und die Vergänglichkeit.

Willkommen in Hadersdorf und liebe Grüße auch an ihre Pressefrau Kati Krusche, die zum Enkel eines Erschossenen am Telefon gemeint hat, nachdem er sie über die Geschichte des Ortes und die verhinderte Auseinandersetzung um ein würdiges Gedenken an die Opfer informieren wollte, gemeint hat: ≥Was können wir für die Geschichte, überall ist etwas passiert, wir haben den Ort nicht deshalb ausgesucht, da hätten wir ja einen jungfräulichen Ort suchen müssen.≥ Schnell eingelebt hat sich ihr Team, das vermissen wir heute bei vielen anderen Gästen und Einwanderern. Diese Integration erfreut das Herz.

Ein herzliches Willkommen

Dr. Robert Streibel Historiker


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