Robert Streibel

Politischer Straßenverkehr in Budapest

Nach 1990 wurden systematisch Straßen und Plätze nicht nur in Budapest umbenannt, die Altlasten der Vergangenheit, die Erinnerung an die sowjetische Besetzung mussten getilgt werden. Mit Viktor Orban stehen neue Benennungen auf der Tagesordnung. Dass auch die Straßenverkehrsordnung verändert wurde, hatte ich noch nicht gelesen.
Taxifahrten sind der beste Weg Sprachen zu lernen, vor allem dann wenn das Taxi mit einem Navigationsgerät ausgestattet ist.
Zum ersten Mal hatte ich bei der mehr als zehnstündigen Fahrt, ich wollte den Rückzug Richtung Westen von Stalingrad nachvollziehen, diese Erfahrung gemacht. Es war natürlich Wolgograd aber die Fahrt Richtung Rossosch, wo Karl Eibl, ein General der Deutschen Wehrmacht, der auch mit Krems eng verbunden war und bis heute in einem Denkmal geehrt wird, wollte ich authentisch erleben. Die russische Weite. Im dunklen Auto, Schneetreiben draußen, russischer Rock aus dem Radio mischte sich mit einer Regelmäßigkeit, die für mich kein Zufall sein konnte, die Stimme des Navigationsgerätes ein. „Will schlisma schluruta“. Danach hat der Fahrer immer auf das Gerät gedruckt und geflucht, manchmal gezögert. Diese Aufforderung habe ich einige Dutzendmal in diesen Stunden gehört, da die Reaktion lediglich ein wütendes einschlagen auf das Gerät zur Folge hatte, das Zögern und fluchen eingeschlossen, habe ich mir so meine Vorstellungen gemacht, dass es möglicherweise „Bitte wenden sie“ geheißen haben möge. Befolgt wurde diese Aufforderung nie.
In Budapest zum Abschluss eines EU Projektes, genannt Lernpartnerschaft angekommen, besteige ich ein Taxi, nicht ich habe es gefunden, sondern der Fahrer hat mich ausgewählt. Der Basar ist nicht mein Lieblingsort und so akzeptiere ich den Preis, sehe das als verfrühtes Geburtstagsgeschenk für den Fahrer, der übermorgen 50 Jahre alt wird, ich könnte es auch als Beitrag für die Bildung seiner dreijährigen Tochter sehen. Zum Glück hat mich der richtige gefunden, denn sein Taxi besaß ein Navigationsgerät. Vielleicht hat er es deswegen eingeschaltet, weil er nicht direkt fahren konnte, sondern aufgrund eines Banküberfalls am Balaton und den bewaffneten Räubern, die nach Budapest geflohen waren, den Polizeisperren auszuweichen wollte. Zum Glück ein Navigationsgerät. Ich kann wieder etwas Lernen. Und ich passe genau auf, versuche aus den regelmäßigen Anweisungen ein System herauszufinden. Auffallend ist für mich nach kurzer Zeit, dass wir immer nur rechts abbiegen. Gibt es das.? Nachdem ich so etwas wie „job“ höre, biegt der Fahrer rechts ab. Und ich habe mein erstes und ein ganz wichtiges Wort gelernt. Jobbik ist der Name der Rechtsradikalen Partei und „job“ heißt rechts. Dass tatsächlich auch die Straßenverkehrsordnung geändert wurde und linksabbiegen verboten wurde, dürfte nicht stimmen denn, einmal kurz vor dem Hotel hieß es so etwas wie „baol“. Doch das war eine illegale Aktion, denn irgendwie ist der Taxifahrer über den Gehsteig gefahren.
Und was lerne ich bei meinen ungarischen Freunden? Meine Annahme, dass die Straßenverkehrsordnung geändert wurde ist nicht vollkommen erfunden, denn es gibt so etwas wie einen Spruch in Budapest. Wer einmal links abbiegen will muss vorher drei Mal rechts fahren.
Ich hoffe der griechische Taxifahrer fährt in einem Monat mit einem Navigationsgerät, doch daraus wird sicherlich nichts werden, er wird weiterhin die ganze Zeit über mit dem Handy eingeklemmt zwischen Ohr und Achsel telefonieren. Ob ich da auch etwas lernen werde? Das Fürchten auf der kurvigen Straße habe ich mir abgewöhnt, denn mit Hilfe der EU ist die Straße gut ausgebaut worden.


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