Robert Streibel

Reaktionen auf den Leserbrief in der PRESSE

Mailrundschreiben von Madeleine Wolensky, AK Wien – Bibliothek

In der heutigen Presse (27.2.2006, S. 30) ist ein – von mir wärmstens zur Lektüre empfohlener – Leserbrief von Robert Streibel, dem Direktor der Volkshochschule Hietzing, erschienen. Unter dem Titel „Männliche literarische Erbpacht“ übt er ebenso berechtigte wie wohl formulierte Kritik an der Wiener Lese-Aktion „Eine STADT. Ein BUCH“, die bereits vier Mal Gratisbücher ausschließlich männlicher Autoren unter das Volk gebracht hat. In Österreich hätten wir zwar eine Literaturnobelpreisträgerin, mit der Gratisbuchaktion aber, „dieser wienerisch volksbildnerischen Großtat“, solle offenbar nur der Ruhm von Männern vergrößert werden.

Streibel vermisst darüber hinaus die gesellschaftliche Achtung und Rezeption alter, vertriebener und im Exil lebender Frauen, die „wohl ewig leben“ müssten, „um die Chance zu bekommen, in der Aktion ‚Eine STADT. Ein BUCH‘ verlegt zu werden.“

Namen nennt er keine, aber mir ist sofort eine dieser „verdammt alten“ Emigrantinnen eingefallen: Die 1920 in Wien als Tochter von Robert und Ilona Kronstein geborene, mit 18 Jahren vertriebene und nie zurückgeholte Gerda Lerner, die in den USA als feministische Historikerin bekannt und neben ihrer wissenschaftlichen Arbeit auch schriftstellerisch tätig ist. Ihre 2002 erschienene Autobiographie „Fireweed“ – benannt nach jener Pflanze, die nach einem Flächenbrand als erste wieder zu blühen beginnt – ist bis jetzt nicht ins Deutsche übersetzt worden. Ihr 1953 erstmals in Wien unter dem Pseudonym „Margarete Rainer“ erschienener autobiographischer Roman „Es gibt keinen Abschied“ hat das Schicksal junger Menschen, die sich in Wien zwischen 1934 und 1938 im antifaschistischen Widerstand betätigen, zum Inhalt und würde es verdienen, wieder aufgelegt und im Rahmen der Gratisbuchaktion verteilt zu werden.

Mit kollegialen Grüßen

Madeleine Wolensky AK Wien – Bibliothek A-1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20-22 Tel +43 1 501 65 2408 madeleine.wolensky@akwien.at http://wien.arbeiterkammer.at/bibliothek

Von Oswald Kuppelwieser
S.g. Herr Direktor Streibel, Ihren Leserbrief an die Presse zu lesen hat mir gut getan und ich bedanke mich dafür. Besonders freue ich mich darüber, dass der Direktor einer VHS, also einer unverzichtbaren Volksbildungseinrichtung, diesen Leserbrief geschrieben hat. Jahr für Jahr habe ich gewartet, dass endlich das Buch einer Autorin von der Stadt Wien verschenkt wird; leider vergebens. Die Männerdominanz ist trotz aller Genderprogramme offenbar nicht aus den Köpfen der Verantwortlichen heraus zu bekommen. Dass ich dafür auch mein Steuerscherflein beitragen muss, empört mich. Ihr Leserbrief und ein Mehrheitsbeschluss in der Bezirksvertretung Landstraße, worin die MA 7 aufgefordert wird, in den kommenden 4 Jahren ausschließlich Bücher von Autorinnen zu verschenken, zeigt: langsam regt sich Protest. In der Hoffnung, dass Ihr Leserbrief auch bei den Auswählenden der MA 7 beachtet und Ihr Ratschlag befolgt wird, entbiete ich meine hochachtungsvollen Grüße.

Oswald Kuppelwieser Bildungsreferent der Grünen Bildungswerkstatt-Wien


Categorised as: Notizen