Die Wachauer Hasenjagd
Das Massaker im Zuchthaus Stein vom 6. April 1945
Robert Streibel
Der Wahnsinn des Nationalsozialismus ist kein Gespenst, dass nur in Auschwitz oder Mauthausen greifbar wird, auch Krems bot dem aufmerksamen Beobachter Möglichkeiten des Urteils, wenn schon nicht damals auf den ersten Blick, so doch zumindest in der Rückschau. Im Zuchthaus Stein wurden nicht nur kriminelle Häftlinge, sondern auch â•ıPolitische╲ festgehalten, ein kleines StÃπck erobertes Europa: Tschechen, Polen, Franzosen aber auch Griechen. Im November 1944 waren rund 300 Griechen quer durch Europa verfrachtet worden, um sicherzustellen, dass die Gefangenen weiter inhaftiert zu lassen. WÀhrend die ZÃπge mit Soldaten an die Front rollten, fuhren ZÃπge mit Juden und Gefangenen in die Gegenrichtung. Die Gefangenen sollten bei Herannahen der Front erschossen werden, der Befehl dazu lautet „politische Gefangene durch ErschieÃen unschÀdlich zu machen“. Massaker an Gefangenen hatte es bei NÀherkommen der Front im Zuchthaus Sonnenburg (heute Slonsk) und in KÃπstrin/Kostrzyn bereits im JÀnner 1945 gegeben mit jeweils 500 und 600 Toten.
FÃπr den Anstaltsleiter von Stein Dr. Franz Kodré dÃπrfte klar gewesen sein, dass er diesen Befehl nicht entsprechen wollte. Mit dem illegalen HÀftlingskomitee wurde Anfang April Ãπber eine Freilassung der Gefangenen verhandelt. Kodré selbst NSDAP-Mitglied hatte in seiner Familie mit Oberst Heinrich Kodré einen Verschwörer des 20. Juli, der nach dem missglÃπckten Attentat auf Hitler ins KZ Mauthausen gebracht worden war.
Als am 6. April mit der Freilassung der HÀftlinge begonnen wurde, denunzierten Aufseher wie Alois Baumgartner, Anton Pomassl und Alois TÃπrk die Aktion als HÀftlingsrevolte und baten um Hilfe zur Niederschlagung. SA und Wehrmacht rÃπckten an richteten in der Anstalt ein Blutbad an, dem vor Ort mehr als 200 Menschen zum Opfer fielen, darunter auch Kodré, sowie die Justizwachebeamten Bölz, Lang und Lasky. Die Gefangene wurden verfolgt und gejagt wie Vieh, in Hadersdorf alleine wurden 56 Menschen festgehalten und einen Tag spÀter schossen, die Toten sÀumten die RingstraÃe unter den Leichenbergen Ãπberlebten auch einige schwer verletzte wie Gerassimos Garnelis. Bis zum 8. Mai vegetierten 12 Personen ohne Àrztliche Versorgung HÀftlinge im Keller des Zuchthauses. Die restlichen Gefangenen wurden in Donauschiffen wie Vieh bis nach Passau gebracht.
In einem Prozess des Volksgerichtes im August wurden 15 Personen wegen ihrer Beteiligung am Massaker angeklagt, 14 Aufseher und der SA-StandartenfÃπhrer Leo Pilz. An fÃπnf Mördern wurde das Todesurteil durch Strang vollstreckt und Ãπber einige lebenslange Haft und mehrjÀhrige Haftstrafen verhÀngt. Die Ãπbrigen Mörder von Stein, die in Uniform oder Zivil am Massaker beteiligt waren, wurden niemals ausgeforscht und zur Verantwortung gezogen.
_________________________ Robert Streibel, Historiker und Publizist, Direktor der Volkshochschule in Hietzing (Wien)
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