Robert Streibel

Krems hatte eine Deserteurs-Meile

Le Mans ist für sein 24 Stunden Rennen bekannt, in Krems gibt es das 41 Stunden Gedenken.
Rede bei der Eröffnung der illegalen Denkmalsetzung für die Deserteure-Meile von Robert Streibel. Und was im Anschluss geschah.

Bericht von Natasa Konopitzky in Moment Leben Heute. Krems: Moment Leben heute 12.10.09
Kurier Artikel über die Entfernung der Tafeln

Heute ist ein besonderer Tag, denn heute wird die Ausstellung „Eine Stadt biographiert sich selbst“ im Kunstraum Stein eröffnet. Gerhard Pazderka (Verein Gedenkstätte Hadersdorf) und ich, wir haben die Aufforderung ernst genommen und wollten sichergehen, dass in dieser Biographie auch alle Seiten gefüllt sind. Was ein Museum plant, muss ernst genommen werden, doch die Umsetzung darf sich nicht nur auf das Museum beschränken, denn das Leben findet nicht im Museum statt, hier im Alltag, da muss sich diese Aufforderung ebenfalls beweisen. Darum sind wir hier. Österreich ist ein schönes Land, denn in Österreich werden auch Ereignisse, wenn sie erst mit Jahrzehnten verspätet stattfinden, zu einer Premiere. Doch nicht nur Österreich ist ein schönes Land, derartige Premieren gibt es all überall, denn der Satz: Eine Stadt biographiert sich selbst, hat immer mit der Gefahr von Bocksprüngen der Geschichte zum Beispiel: 1938 Absprung Landung 1945 zu kämpfen. Wir sind da keine Ausnahme. Wir feiern heute eine Premiere, denn heute werden wir das erste Denkmal für Deserteure eröffnen, nicht irgendwo, sondern im Alltag, mitten in der Stadt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, denn wenn Österreich das erste Opfer des Nationalsozialismus war, dann müsste es erste patriotische Pflicht gewesen sein, den Dienst in der Wehrmacht zu verweigern. Wir wollen nicht rechten und der Abend ist klüger als der Morgen. Die Toten sollen geehrt werden, aber jene, die sich widersetzt haben, die müssen einen Ehrenplatz bekommen. Eine Selbstverständlichkeit ist das. Müsste das sein. Nein ist es auch, dank Ihnen, die Sie heute gekommen sind. Dieses Denkmal, diese Meile der Deserteure, ist nicht genehmigt, wir haben nicht gefragt. Wer fragt, wenn etwas selbstverständlich ist. Fragen Sie, ob Sie atmen dürfen? Die Tafeln stehen dort, wo sie stehen sollen, hier auf dem Südtirolerplatz, denn hier wurden drei Männer, die mit ihrer Einheit desertiert sind, gehängt; und dann beim Denkmal von Karl Eibl, diesem höchst dekorierten General der Deutschen Wehrmacht von „Niederdonau“ und dann beim Sappeurdenkmal für die „Helden der Pflicht“ des Ersten Weltkrieges. Krems hat eine Museumsmeile. Krems hat seit heute eine Deserteursmeile. Eine Premiere. Eine Premiere ist ein einmaliges Ereignis; hoffen wir, dass dieses Stück prolongiert wird, schauen Sie vorbei, haben Sie ein Auge darauf, denn für dieses Denkmal gibt es nur die Sicherstellung durch Sie und Ihre Zivilcourage. Bis dass es eine Selbstverständlichkeit wird, dass Deserteure und Widerstandskämpfer geehrt werden, dauert es vielleicht noch einige Zeit, aber nicht mehr lang, denn wir leben in einem schönen Land.

Nachsatz: Rund 50 Personen hatten sich an der Denkmalsetzung in Krems beteiligt. Gekommen waren unter anderem die Gemeinderäte Bergmeier (SPÖ) und Franz Kral (KPÖ), Richard Wardani und Dr. Thomas Geldorfer vom Verein für Gerechtigkeit für die Opfer des Militärjustiz und die Nachkommen des Deserteurs Karl Mörwald. Am Ende der Veranstaltung stellten sich alle die Frage, wie lang diese Tafeln wohl stehen bleiben werden. Nach der Eröffnung der Ausstellung ≥Eine Stadt biograhiert sich selbst„ im Kunstraum Stein, wo zum ersten Mal mit einer Selbstverständlichkeit die gesamte Geschichte der Stadt versucht wurde zu dokumentieren, sind die Chancen für die fixe Installierung der Deserteurs-Meile gestiegen. Mag. Wipplinger, der Geschäftsführer der Kunstmeile, ≥adoptierte„ die Tafeln und sieht sie fortan als Verlängerung der Ausstellung im öffentlichen Raum an, Bazon Brock sieht diese Initiative als Umsetzung seiner Idee gelebter Bürgerlichkeit, Daniel Spoerri zeigte sich beeindruckt und Bürgermeisterin Inge Rinke liess sich den Button ≥Ich bin Deserteurin„ im Laufe der Veranstaltung anstecken. Die Stadt Krems hat in seiner Geschichte das unrühmliche Privileg, bei vielen Ereignissen die Nase vorne gehabt zu haben. Krems hat als erste Stadt den Arierparagraph bei einem Gauturnfest im 19. Jahrhundert umgesetzt, Krems hatte den ersten nationalsozialistischen Bürgermeister Österreichs, nämlich schon 1927, nach einem Bombenanschlag der Nazis in Krems wurde die NSDAP in ganz Österreich 1932 verboten. Und jetzt hat Krems als erste Stadt Österreichs eine Deserteursmeile.

Am Montag Früh wurden alle Tafeln entfernt und die Stadt hat angekündigt, alle Beteiligten mit einer Verwaltungsstrafe zu belegen. Naja, die Stadt Krems ist offenbar schon so bankrott, dass sie Strafen einheben muss, damit der nächste Kranz am 1. November für den General der Deutschen Wehrmacht finanziert werden kann.


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