Robert Streibel

Plakate und Umfragen werden zur Kunst

Die Generali Foundation widmet eine Ausstellung der Frage ≥Wie Gesellschaft und Politik ins Bild kommen„.

Artikel für „Arbeit und Wirtschaft“

Wie Gesellschaft und Politik ins Bild kommen? Eine einfache Frage, aber keine eindeutige Antwort. Ein Bild im herkömmlichen Sinn ist es nicht. In der Generali Foundation hängen keine Bilder, fast keine Bilder, aber was ist das dann für eine Ausstellung.

Bei Konzeptkunst ist nicht viel zu sehen, denn der Prozess ist die Kunst, nicht ganz natürlich, denn dokumentiert werden soll etwas. Das Gebotene zu entschlüsseln ist schwieriger als das Plakat, das für diese Ausstellung wirbt. Kunst und der Zugang dazu muss man/frau sich erkämpfen, mit Überlegungen und mit Zeit, denn Gesellschaft und Politik sind viel zu komplex, um einfach ins Bild zu kommen.
Ein Blick und alles ist klar, wenn es so einfach wäre. Und doch gibt es die einfachen Lösungen auch in dieser Ausstellung, so einfach, dass sich dann wiederum die Frage stellt. So einfach und das soll Kunst sein.

Beginnen wir unseren Rundgang mit einem Objekt Black Box White Box des amerikanischen Künstlers Adrian Piper aus dem Jahr 1992. Rassismus und Xenophobie sind Fluchtpunkte der Arbeit. In beiden Boxen in der weißen und der schwarzen ist der Betrachter alleine, in einem Ledersessel mit einem Bild in einem Fall mit dem von Rodney King, der von amerikanischen Polizisten brutal niedergeschlagen wurde und Textpassagen von Georg W. Bush. Im anderen Würfel ist dann die Fernsehsequenz, die die amerikanische Polizisten in diesem Fall in Aktion zeigt, zu sehen. Neben dem Sessel eine Box mit Taschentüchern, zynisch nimmt Piper Sehgewohnheiten aufs Korn, selbst für die Tränen ist alles griffbereit, ohne dass sich natürlich durch die individuelle Reaktion etwas ändert. Nach dem Fernsehbild regiert wieder der Alltag. Wir leben in Schwarz und Weiß.

Der Krieg und Gewalt brechen in einigen anderen Kunstwerken nochmals in den Alltag ein. Zum Beispiel in der Video-Installation von Martha Rosler, ebenfalls aus den USA. Im Bild Aufnahmen des chilenischen Diktators Pinochet als Subtext Aussagen über Politik und Wirtschaft und im Ton hören wir unter anderem wie die Künstlerin mit ihrem Kind beim Füttern und vor dem Zubettgehen spricht. Alles passiert gleichzeitig, das Material Schlüsse daraus zu ziehen ist klar. In den Fotomontagen ≥Bringing the War Home aus den siebziger Jahren dringt die Brutalität tatsächlich in die heile Welt des Staubsaugens. Gerade durch den Irak-Krieg bekommen diese Arbeiten, die erstmals in Österreich zu sehen sind eine traurige Aktualität.

Die komplexe Welt ins Bild zu bringen ist für die KünstlerInnengruppe ≥Bureau d‚etudes„ in Form von kartographischen Skizzen zu unterschiedlichen Themen möglich. So zeichnen Sie ≥The World Government 2004„ Wer regiert, wer hat Einfluss, wer bestimmt unser Leben. Die Karte zu entschlüsseln würde Stunden benötigen, eine Lupe liegt neben den Blättern, die sich mit Titeln wie ≥The System„ oder ≥The Global Laboratory ˆ The World Government„.

Um die soziale Situation und das Erleben der Umgebung in vier Londoner Stadtvierteln ging es Stephen Willats in den siebziger Jahren. Die Antworten auf den Fragebogen sind Teil der Ausstellung. Ein Klassiker in diesem Umfeld ist Hans Haacke, gebürtiger Deutscher, der jetzt in New York lebt. In den siebziger Jahren hat er die Geburts- und Wohnorte der Galeriebesucher in einer New Yorker Avantgarde Galerie dokumentiert, die mehrere Meter lange symbolische Fifth Avenue in New York beherrscht den Ausstellungsraum. Natürlich sind die BesucherInnen in den besseren Gegenden zu Hause.

Fragebogen als Teil der Kunst setzte auch die kroatische Künstlerin Andreja Kuluncic ein. ≥Distributive Justice„ ist ihr Projekt, das estmals bei der Documenta 11 realisiert wurde. Die Besucher werden gefragt, wie sie ihre Gesellschaft erleben, wie sie eine gerechte Gesellschaft sehen würden.
Verteilungsgerechtigkeit von Gütern und von Lebenschancen sind ihr Thema. Und auf ihrer homepage www.distributive-justice.com kann jeder seine eigene Gesellschaft bauen, weiss wie sich die anderen entschieden haben und bekommt überdies noch mitgeliefert, welchen Ideen man/frau sich durch ihre Antworten verpflichtet fühlt. Kunst oder Politik? Kunst und Politik. Die Künstlergruppe ≥Klub Zwei„ (Simone Bader und Jo Schmeiser aus Deutschland und Österreich erklären ihre Plakate zur Kunst. Arbeit an der Öffentlichkeit nennen sie das Auftragswerk für die die Generali Foundation und so wird selbst das Transparent vor der Galerie in der Wiedner Hauptstraße in Wien zur Kunst.

Eine wichtige Ausstellung, die einen Nachholbedarf signalisiert, denn ≥so offensiv zu sozialen Fragen der Klasse, des Geschlechts, der ethnischen Herkunft sowie der damit verbundenen gesellschaftspolitischen Parameter Stellung zu beziehen„ (Ankündigungstext zur Ausstellung) ist hierzulande nicht immer üblich gewesen.

Mit Werken on Bureau d‚etudes, Alice Creischer. Andreas Siekmann, Maria Eichhorn, Hans Haacke, Klub zwei, Andreja Kuluncic, Adrian Piper, Martha Rosler, Stephen Willats. Generali Foundation Wiedner Hauptstraße 15, 1040 Wien. http://foundation.generali.at bis 18. Dezember


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