Robert Streibel

Der Mensch hinter dem Mythos

Nun meldet sich auf Anne Franks beste Freundin zu Wort

Robert Streibel

Jacqueline van Maarsen war Anne Franks beste Freundin und taucht im Tagebuch als Jopie auf. Zum ersten Mal berichtet sie nun über ihre Begegnung mit Anne Frank und die Bekanntschaft mit ihrem Vater Otto Frank. Natürlich hat jede Zeitzeugin auch ein Leben davor und das will auch erzählt werden, doch die ersten 100 Seiten kann man eher rasch überblättern oder nur auszugsweise lesen, da sie nicht von besonderem Interesse sind.

Was van Maarsen über das Mädchen Anne Frank zu berichten hat ist interessant und ehrlich, wird sie doch als jemand geschildert, der sich gerne in Szene setzte. ≥Es war nicht immer leicht Annes beste Freundin zu sein. Sie war sehr anspruchvoll und schnell eifersüchtig.„ Maarsen erläutert an einigen Beispielen die unterschiedlichen Versionen und beschreibt die Suche nach dem Abschiedsbrief, den sie erst Jahre nach der Ermordung zu lesen bekommt. Jacqueline van Maarsen überlebt, da es ihrer Mutter gelingt, die zum Judentum übergetreten ist, dies vor den NS-Behörden rückgängig zu machen. So entkommen muss die Schülerin miterleben, wie alle Freundinnen verschwinden oder abgeholt werden.

Mit dem Erfolg des Tagebuches beginnt sich ihre Freundin zurückzuziehen, wurde immer ≥zurückhaltender„. ≥Plötzlich tauchten Leute auf, die sich damit brüsteten, Anne gekannt zu haben oder mit ihr befreundet gewesen zu sein, obwohl das gar nicht der Wahrheit entsprach.„ Da die Geschichte über die Begegnung mit Anne Frank doch zu dünn, was nicht die lebendige Schilderung des menschen hinter dem Mythos schmälern soll, schildert van Maarsen noch die Geschichte ihrer Eltern, einer französischen Katholiken und eines niederländischen Juden.

Jacqueline van Maarsen: Ich heiße Anne, sagte sie, Anne Frank. Frankfurt a. Main: S. Fischer Verlag 2004 221 Seiten, geb., Euro 17,90


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